piwik no script img

Was folgt auf den Walkman-Erfolg?

■ Die japanischen Elektronikfirmen blicken in eine düstere Zukunft/ Mangelnde Ideen und Rezession

Tokio (afp) — Japans einst so erfolgreiche Elektronikkonzerne schauen in eine düstere Zukunft. So schlecht wie jetzt hatte es für die Branche seit Anfang der 80er Jahre nicht mehr ausgesehen — bevor sie mit einer Reihe neuer Erfindungen wie dem Walkman, dem CD-Spieler und den kleinen Videokameras plötzlich das Ruder herumreißen konnte und zum Inbegriff des wirtschaftlichen Booms wurde.

Seit Jahresbeginn sinken die Profite der japanischen Großkonzerne wie Sony, Matsushita, JVC, Pioneer und Minolta. Experten machen dafür vor allem die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in den reichen europäischen Ländern und den USA verantwortlich. Aber auch in Japan macht sich eine wirtschaftliche Verlangsamung bemerkbar. Zudem ist der Inlandsmarkt bereits fast gesättigt.

Hinzu kommt, daß den für ihre Erfindungsgabe so bekannten japanischen Konzernen wenig wirklich Neues einfällt, was die Verbraucher wieder in die Läden treiben könnte. Bis das hochauflösende Fernsehen (HDTV) zu einem günstigen Preis auf dem Markt kommt, dauert es wahrscheinlich noch einige Jahre.

Der einzige Hoffnungsschimmer für Japans Elektronikkonzerne kommt aus den dynamischen südostasiatischen Staaten. Dort hoffen die Japaner noch auf ein ungebremstes Kaufverhalten, zumal der Markt dort noch nicht gesättigt ist. Probleme bereitet den einst so billigen Japanern aber hier der Preis. Die Konkurrenz aus Singapur, Hongkong, Taiwan und Südkorea setzt SonyundCo. unter erheblichen Druck.

Die jüngsten Bilanzen der japanischen Konzerne offenbaren die Misere. Sony gab am Mittwoch einen 26prozentigen Rückgang bei den Vorsteuerprofiten der ersten sechs Monate des Jahres bekannt. Mit 36 Prozent war der Rückgang in den letzten drei Monaten dieses Zeitraums besonders dramatisch. Noch schlechter sah es für Matsushita Electric, dem weltweit größten Elektronikkonzern aus. Das Unternehmen, das Panasonic und Technics vermarktet, mußte einen 40prozentigen Verlust bei den Profiten hinnehmen. JVCs Profite fielen um 30 Prozent, die von Pioneer um 27 Prozent und von Citizen um 16 Prozent. Ganz unten landete Minolta, das sogar einen Nettoverlust hinnehmen mußte.

Alle Unternehmen, selbst die beiden positiven Ausnahmen Olympus and Canon, die einen geringen Gewinn einfahren konnten, machten die Rezession in den USA, die wirtschaftliche Verlangsamung in Europa, die stärkere Konkurrenz sowie den steigenden Yen für die schlechte Geschäftslage verantwortlich.

Für die nahe Zukunft sind die Prognosen auch nicht sonderlich rosig. Sony rechnet mit weiteren „schwierigen“ Monaten. Die Preise seien gefallen und der Audio-Video-Markt gesättigt, begründete ein Sprecher die wenig hoffnungsvolle Prognose. In Japan habe jeder Haushalt mittlerweile zwei Fernseher und zwei Videorekorder.

Nach Angaben des Broker-Analysten Jeff Vevattero nähert sich der Audio-Video-Markt auch in anderen reichen Ländern der Sättigung. Nach seinen Angaben werden die japanischen Firmen deshalb nun versuchen, hochwertige Produkte wie Fernseher mit großen Bildschirmen und digitale Tonträger zu pushen.

Sony versucht die Zeit bis zum kostengünstigen HDTV-Fernseher mit neuen CD-Varianten zu überbrücken. So brachte das Unternehmen die „Mini-Disc“ auf den Markt, die ähnlich wie eine Kassette bespielt werden kann. Eine weitere Neuerung war das „interaktive Compact Disc- System“ - eine Fernseh-Video-Kombination für Bild, Ton, Text und Daten. Ob diese Neuerungen Erfolg haben werden, ist jedoch zweifelhaft.

Auch der Erfolg des groß propagierten DAT-Rekorders, der Aufnahmen in CD-Qualität erlaubt, ist noch ungewiß. „Es ist noch zu früh, um über diese neuen Produkte begeistert zu sein“, meint der Branchenexperte Kinuyo Fukuda und fügt zweifelnd hinzu, „ich glaube nicht, daß eines dieser neuen Produkte den Markt so anheizen wird wie der Videorekorder in den 80er Jahren.“ — Um aus der Krise herauszukommen, setzen die japanischen Elektronikfirmen zunehmend auf Diversifizierung. Besonders beliebt sind dabei seit zwei Jahren amerikanische Medienkonzerne. So entstanden die japanisch-amerikanischen Mischkonzerne Sony-Colombia-CBS, Matsushita-MCA und Toshiba-Time- Warner. Die Idee dahinter ist es, einen von Sony produzierten Film oder Song auf einem Sony-Gerät abzuspielen und den Konzernen damit die Kontrolle über den gesamten audio- visuellen Prozeß zu geben.

Obwohl die japanischen Elektronikkonzerne zur Zeit in einer Krise stecken, glauben doch die meisten Experten daran, daß es Sony und Co. gelingen wird, wieder Oberwasser zu bekommen. Ihre begabten und mit Unsummen ausgestatteten Forschungsteams kommen demzufolge sicher bald wieder mit neuen Geräten auf den Markt, die dann bis Ende der 90er Jahre in allen Haushalten Europas und der USA stehen werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen