: Stellenpoker
■ Haushaltsausschuß will der Gauck-Behörde notwendige Stellen sperren
Stellenpoker Haushaltsausschuß will der Gauck-Behörde notwendige Stellen sperren
Der Vorgang spricht für sich: Der Bundestag verabschiedet mit großer Mehrheit ein Stasi- Unterlagen-Gesetz, und der Haushaltsausschuß des Bundestages reagiert mit einer Sperrung der für die Umsetzung notwendigen Personalstellen. 50 Prozent der 2.430 Stellen, die die Gauck- Behörde für die Aktenauskunft und -einsicht beantragt hat, wurden mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen gegen den Willen des Sonderbeauftragten, der Opposition und selbst gegen Wolfgang Schäuble gesperrt. Die etwas abenteuerliche Argumentation der Ausschußmehrheit: der Gauck-Behörde werde über den Umweg der Sperre sogar geholfen, die neue Behörde ordentlich aufzubauen. CDU/CSU und FDP wollen die Maßnahme auch nicht als Restriktion verstanden wissen. Der Ausschuß sei schließlich bereit, im kommenden Haushaltsjahr jederzeit Entsperrungsanträgen nachzukommen. Warum dann aber der jetzige Beschluß?
Das Motiv der Koalitionsparteien im Haushaltsausschuß ist durchsichtig. Argumentiert wird, daß der Stellenstopp jederzeit rückgängig gemacht werden könne und es nur darauf ankomme, dann jeweils den Nachweis zu führen, daß der Aufbau der Behörde planmäßig verlaufe. Dies jedoch bedeutet nichts anderes, als daß die Bonner Haushälter beabsichtigen, über den Stellenplan in die unabhängige Behörde des Stasi-Beauftragten hineinzuregieren. Wer den Geldhahn auf- oder zudrehen darf, kann den Geldnehmer schließlich ordentlich an die Leine legen. Verräterisch ist auch, daß die neuen Stellen „soweit wie möglich“ mit Beamten und Angestellten aus den Bundestagsverwaltungen besetzt werden sollen, wo gerade Personal abgebaut wird. Weil diese Personalkürzungen in den anderen Verwaltungen nicht vor dem Frühjahr 1992 greifen, darf Gauck auch nicht, wie er beantragte, bereits im Vorgriff auf das Haushaltsjahr 1992 Personalpolitik betreiben — er könnte schließlich Bürger aus der Ex-DDR bevorzugen, und für das überflüssige Verwaltungspersonal gäbe es am Ende keine Planstellen, auf die sie umgesetzt werden könnten.
Zu beachten bleibt auch, in welchen Bundesverwaltungen im kommenden Jahr der Mitarbeiterbestand abgespeckt werden soll. In erster Linie wird dies die Mitarbeiter der Bundeswehr und des Zolls betreffen. Diese sollen wohl dann den Bespitzelten und Gepreßten des Honeckerstaates ihre Stasi-Akten vorlegen und erläutern. Nicht zu vergessen die bundesdeutschen Geheimdienste: Nach dem Wegfall des Ost-West-Gegensatzes in einer tiefen Legitimatitionskrise, werden auch sie wohl oder übel schrumpfen müssen. Der Haushaltsausschuß des Bundestages könnte dann auf die Idee verfallen, etwa arbeitslos gewordene BND-Mitarbeiter in der Gauck-Behörde unterbringen zu wollen — als kostenneutrale Lösung. Für die Stasi-Opfer, die ihre Akten einsehen wollen, hat dies zweifellos einen Vorteil: Die Herren kommen vom Fach. Wolfgang Gast
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