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Gewerkschaftskampf bei Bayer als Posse

Wuppertal (taz) — Die Geschichte ist aus vielen innergewerkschaftlichen Konflikten bekannt. Irgendwann treten Menschen auf den Plan, denen der Sinn nach radikalerer Interessenvertretung steht. Im Wuppertaler Bayer-Werk führte das vor Jahren zu zwei Wahllisten. „Traditionelle“ und „fortschrittliche“ Gewerkschafter traten gegeneinander an. Zwar gewannen die „Traditionalisten“, doch mit neun von 27 Betriebsratsposten gelang der Minderheit auch bei der letzten Wahl ein beachtlicher Erfolg. Innerhalb der Vertrauenskörperleitung verfügte sie, zum Ärger der örtlichen IG-Chemie- Verwaltungsstelle, über noch mehr Einfluß — bis zur Neuwahl im letzten Jahr, die unter der Regie des IG-Chemie-Geschäftsführers Erwin Stroh durchgeführt wurde. Die „Fortschrittlichen“ stellten Satzungsverstöße bei der Wahldurchführung fest, beklagten sich über neu geschnittene Wahlkreise, sprachen von Manipulation bei der Stimmenauszählung. Der Hauptvorstand der IG Chemie in Hannover wies alle Einsprüche zurück. Eine Neuwahl komme nicht in Frage. Die „Fortschrittlichen“ erhoben Klage beim Hannoveraner Landgericht. Das Gericht ließ keinen Zweifel daran, daß es Verstöße gegen Fristen und Satzungen gegeben habe, die Wahl also ungültig sei. Daraufhin erklärte sich der IG-Chemie-Hauptvorstand bereit, „in einigen Wahlkreisen die Wahl der Vertrauensleute zu wiederholen“.

Die Gerichtsverhandlung wurde daraufhin vertagt. Aber auf die von den „Fortschrittlichen“ geforderte Rücknahme der Wahlkreisänderungen mochte sich die Gewerkschaftszentrale ebensowenig einlassen wie auf eine andere Zusammensetzung des Wahlvorstands. Die Vertrauensleute-Vollversammlung machte am Mittwoch abend mit Mehrheit den Weg zu Neuwahlen frei.

Nun aber sind die „Fortschrittlichen“ gegen die Neuwahl. Einer ihrer Sprecher, Klaus Annuß, sieht darin einen „Trick“, denn die geänderten Wahlkreise, „die genau auf einzelne Personen zugeschnitten wurden“, blieben unangetastet. Annuß möchte das Gerichtsurteil, „damit deutlich wird, daß demokratische Grundregeln auch in der IG Chemie eingehalten werden müssen“. In Wuppertal spricht man indes von einer „Gewerkschaftsposse“. „Den ganzen Zirkus“, so sagte ein Vertrauensmann, „hätten wir uns ersparen können“, wenn der Hauptvorstand früher eingelenkt hätte. Walter Jakobs

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