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Gegen alle Klischees

■ Leben in einer Jerusalemer Kommune

Zuerst wollte ich das Buch gleich wieder aus der Hand legen: Bildhübsche Schauspielerin mit jugendlicher Tochter zieht in eine leicht spiritistisch angehauchte Kommune in Jerusalem, die Tochter will nicht so recht, träumt vom abwesenden Vater, dem berühmten Sänger. Es schien mir so ausrechenbar, was geschehen würde, die Schwarz- Weiß-Bilder drängten sich mir geradezu auf. Aber ich bin froh, daß ich durchgehalten habe, denn die Geschichte entwickelt sich rasant und gegen alle Klischees.

In der Kommune gehört allen alles, die Arbeit wird erledigt, wie sie kommt, ohne Plan. Ofra — das Mädchen, aus deren Perspektive erzählt wird, wehrt sich erst mal gegen alles und jeden. Sie blickt überhaupt nicht durch, wer zu wem gehört, sie will ihren eigenen Kram in dem Zimmer haben, das sie mit der Mutter teilt. Sie will ihre Individualität bewahren, merkt aber erst ganz allmählich, daß ihr die keiner nehmen will, daß es gerade das ist, worum die anderen permanent ringen.

Die Gemeinschaft ist gar nicht so verschworen, es gibt Widersprüche und Konflikte, die sich dem Mädchen nach und nach entschlüsseln. Sie lebt sich ein, auch in der Umgebung, schließt Freundschaft mit einem kleinen Jungen, den sie erst als Straßengör abtut, setzt sich mit den Meditationen ihrer Gruppe sowie mit den orthodoxen Juden der Nachbarschaft auseinander. Schließlich entwickelt sich die Geschichte sogar zu einem spannenden Krimi: In der Nachbarschaft ist eine alte Frau ermordet worden, der nachgesagt wurde, sie wäre eine Hexe. Und ... Ofra verliebt sich in einen viel älteren Mann. Es passiert so viel, daß sie erst gar nicht merkt, wie vertraut und wie wichtig ihr das Leben in der Gemeinschaft geworden ist. Am Ende kann sie sich schließlich der Auseinandersetzung mit dem nebulösen Vater stellen, der einst als eine Art Protestsänger Idol der Erwachsenen ihrer Kommune war, sich aber längst in der Gesellschaft etabliert hat.

Yael Rosman greift in ihrem Roman auf eine erfrischend neue Art den vielbeschworenen „Generationenkonflikt“ auf. Die Erwachsenen der Kommune versuchen, den Idealen ihrer Jugend treu zu bleiben, und werten den Traum nach einer Gemeinschaft, die sich nicht den Konsum-, Konkurrenz- und Leistungswerten der Gesellschaft unterwirft, nicht als jugendliche Spinnerei ab. So hat das Mädchen Ofra dann auch genügend Raum, für sich selber neu zu entscheiden, muß nicht einfach nachahmen, was die ältere Generation ihr vorschreibt, und kann dennoch vieles dann annehmen. Ein ausgesprochen ermutigender Roman. Heike Brandt

Yel Rosman: Kaleidoskop. Aus dem Hebräischen von Kirsten Praefke-Meron, Alibaba Verlag 1991, 24 DM

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