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Aufrecht in die Einheit gehen

Aufrecht in die Einheit gehen

Nun schlagen die Wogen der Empörung wieder haushoch an der Humboldt-Universität, denn mit Heinrich Fink sehen Studenten und Mitarbeiter einen Mann angegriffen, der »zur Symbolfigur für einen eigenen Weg zu einer demokratisch verfaßten Universität gegen die Anpassung an die westlichen Verhältnisse« wurde.

Über den Charakter der Stasi- Kontakte Finks werden die Akten, Zeugen und notfalls Gerichte entscheiden, aber hinter diesem akuten Vorwurf und den Reaktionen darauf wird wieder einmal das ganze DDR- Elend von opportunistischer Flucht aus der Geschichte und Verantwortung deutlich. Für viele Beteiligte scheint tatsächlich erst der Herbst 1989 ein Erwachen bedeutet zu haben und die Möglichkeit, mit Integrität und Zivilcourage aufzutreten. Am Umbruch im Herbst hatte die hauptstädtische Universität keinen großen Anteil. Es gab so gut wie keine Brücke zwischen den Kräften der Opposition und den späteren Universitätserneuerern. Nur mit einem Maximum an demokratischer Energie und Konsequenz hätte es eine Chance zur schnellen Beseitigung der alten Strukturen und zur sofortigen Entfernung belasteter Verantwortlicher gegeben. Wenn Heinrich Fink für den Versuch steht, Veränderungen selbständig durchzusetzen, dann steht er auch für das unerträglich lange Mitschleppen offensichtlicher Altlasten dabei. Es war nicht die Perfidie westlicher Kolonisatoren, die zur Anwendung administrativer Maßnahmen zwang, sondern der verzögerte und schleppende Gang der Erneuerung.

Gerade an der Sektion Theologie gab es noch in den 80er Jahren Dozenten und Professoren, die ihre Kollegen von der ML-Fakultät an ideologischem Eifer überboten. Sie waren die Leute fürs Grobe, wenn es darum ging, die Opposition zu kriminalisieren, als faschistisch zu diffamieren und die unabhängige Friedensbewegung zu Staatsfeinden hochzustilisieren. Fink gehörte nicht dazu, aber er saß als Direktor der Sektion diesen Kollegen vor, und ihm mußte klar sein, was sie damit anrichten. Auch die Rolle der CFK zur Schwächung und Lähmung der unabhängigen Friedensbewegung und das bewußte politische Manövrieren damit waren bekannt. Bei den Rektoratswahlen setzte sich Fink durch, auch gegen Gerd Irrlitz, der als Bloch-Schüler und stets unbequemer Hochschullehrere jahrzehntelang um jeden Millimeter Freiraum im akademischen Leben gekämpft hatte. Mit Fink kam das Sowohl-als- auch, und die Überlebenskünste und Klammerinstinkte aus alter DDR- Zeit ließen dem Erneuerungswillen oft den Atem ausgehen.

Für die alte Opposition und jetzige Bürgerrechtsbewegung kann das alles kein Grund zur Selbstgerechtigkeit sein. Sie hatte sich ins Ghetto der Isolation sperren lassen und manchmal fast trotzig auf ihrer Exklusivität beharrt. Der Weg zu normal-kritischen Menschen, die es ja auch an der Universität gab, blieb meist versperrt. In diese Leere stieß die Stasi gezielt hinein. Was an normalen Kontakten und dichter Kommunikation in die Gesellschaft hinein für die Opposition fehlte, wurde durch Informanten, Provokateure und Gerüchte ersetzt. Im Umbruch und Vereinigungsprozeß fehlte dann der Bürgerbewegung wieder die Kraft, in Bereichen wie den Hochschulen rechtzeitig genug präsent zu sein.

Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Wolfgang Templin ist heute im Sprecherrat des Bündnis 90. In der Stadtmitte schreiben Persönlichkeiten der Stadt zu den Problemen der zusammenwachsenden Stadthälften.

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