: Das Trauerspiel
■ Die Trauer der Kölner Fußballgemeinde um ihren tödlich verunglückten Torjäger Maurice Banach wurde einzig von der Tristesse des Spiels überboten: Köln besiegte den VfL Bochum trostlos mit 1:0
Köln (taz) — Dreizehn Tage vor Anpfiff des Spiels gegen Bochum war Kölns Torjäger Maurice Banach auf der Fahrt zum Training tödlich verunglückt. Danach versuchte die Fußballgemeinde zu trauern. Allerdings fiel ihr das Eingeständnis schwer, daß der 24jährige ein Opfer typischer Bundesliga-Motorisierung und entsprechender Fahrweise geworden war. Mit seinem hochgetuntem Wagen hatte er sich bei höchster Geschwindigkeit und unter steter Betätigung der Lichthupe den Weg auf der Autobahn freigemacht. Er kam von der Straße ab und verbrannte in seinem Auto. Die Obduktion ergab einen Alkoholspiegel von 1,0 Promille. So war es eine Tragödie, aber eben kein Schicksal, sondern eine Folge des Glaubens, daß zu schnellen Beinen noch schnellere Autos gehören.
Diese Einsicht wurde in den Bundesliga-Stadien allerdings schon am vergangenen Wochenende mit Gedenkminuten und Trauerflor völlig überdeckt. Und ergriffen hielten selbst die lautesten Krakeler für den verordneten Moment inne, fühlten sie sich doch von einem Schicksal angeweht, das sie vielleicht auch als ihr eigenes fürchten.
Das wirkliche Trauerspiel, das Spiel eins nach Banach, fand aber erst am Samstag im Müngersdorfer Stadion statt, nachdem das letzte Spiel der Kölner wegen des Todesfalls abgesagt worden war. Still war es vor dem Anpfiff. Keine Musik, nicht einmal die obligatorischen Werbedurchsagen plärrten aus den Lautsprechern. Selbst die Fans schwiegen und erinnerten nur in Transparenten an Mucki Banach, ihren James Dean: „Nur die Besten sterben jung.“
Nach zehn Minuten war der Pietät aber bereits genüge getan, dann durfte wieder gesungen und angefeuert werden. Und in der Halbzeitpause war auch wieder die Werbung zu hören. Allein die Spieler auf dem Rasen hielten sich über neunzig Minuten an die Vorgabe und absolvierten ein Trauerspiel, das an Tristesse kaum noch zu überbieten war.
Der einzige Höhepunkt war das entscheidende Tor, das kurz vor Ende der ersten Halbzeit fiel. Für einen Moment schien Bochums Torwart Ralf Zumdick in Trauerarbeit zu verharren. Ließ er doch den Eckball von Frank Ordenewitz fallen und vor die Füsse der Nummer neun fallen. Eine Nummer neun, die, wäre es nach den Kölner Spielern gegangen, gar nicht auf den Platz gestanden hätte, hatte doch Banach dieses Trikot getragen. Aber dann war es Ralf Sturm, den Trainer Jörg Berger in die Pflicht nahm. Und dieser Ralf Sturm spitzelte den Ball im entscheidenden Moment über die Linie.
Für die unterschiedlichen Ambitionen der beiden Mannschaften ließen sich aus diesem Spiel nur die dunkelsten Schlüsse ziehen. Der 1. FC Köln wirkte in keinem Moment wie ein ernsthafter Kandidat für einen Platz im UEFA-Cup, während der VfL Bochum wie ein sicherer Kandidat für einen Platz in der zweiten Liga spielte. Köln tat nicht mehr als nötig, Bochum so gut wie gar nichts.
Allein die beiden Trainer waren hinterher noch heftig bemüht, die Vorstellung ihrer Mannschaft schönzureden. Den Sieger Jörg Berger konnte man dabei noch verstehen, wies er doch vor allem auf die Belastung seiner Spieler vor diesem für sie besonderen Spiel hin. Völlig unverständlich hingegen blieb die Stellungnahme von Bochums Holger Osieck. Dieser wolte in der ersten Halbzeit eine gute Defensivarbeit seiner Spieler beobachtet und im zweiten Abschnitt lediglich zu Beginn eine schwache Phase erspäht haben. Aber wahrscheinlich glaubte er sich selbst nicht und entzog sich zügigen Schrittes der Nachfrage.
Längst lief also die Bundesligamaschinerie wieder auf normalen Touren, als sich Wilfried Luchtenberg in der ARD-Sportschau noch einmal zu Wort meldete und in seinem Spielbericht „immer wieder die Eckbälle und Freistöße von Maurice Banach“ lobte, während Frank Ordenewitz auf dem Bildschirm zu sehen war. Thomas Lötz und
Christoph Biermann
Bochum: Zumdick — Kempe — Heinemann, Reekers — Zanter (71. Milde), Benatelli, Bonan, Schwanke, Wegmann, Eitzert (85. Hermann) — Epp.
Zuschauer: 13.000; Tor: 1:0 Sturm (41.).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen