Väter ohne Kinder

■ Nach Scheidungen wird oft allein der Mutter das Sorgerecht übertragen. In den Vätervereinen bemüht man sich um eine Kurskorrektur der bisherigen Rechtsprechung. Aber kann das gemeinsame Sorgerecht als Regelfall gerecht sein?

Darf die Trennung einer Ehe oder einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zur Zerstörung der Familienbande zwischen Eltern und Kindern führen? „Nein!“ sagt der frischgebackene Vorsitzende des Münchener Vereins „Väter für Kinder“, Professor Michael Reeken. „Eltern müssen lernen, zwischen ihrer eigenen Beziehung zueinander und der zu ihren Kindern zu unterscheiden.“ Reeken ist mit dieser Forderung dem geltenden Recht allerdings weit voraus. Denn auch 1991 noch werden in der Bundesrepublik Deutschland nach einer Scheidung oftmals die Rechte von Kindern und Vätern in die Verfügbarkeit der Mutter gestellt, bei einer nichtehelichen Familie tritt dieser Zustand sogar mit der Geburt ein. Ganz langsam vollzieht sich jedoch ein Umdenken. Daß nichtehelichen Lebensgemeinschaften vom Bundesverfassungsgericht gerade die Möglichkeit auf gemeinsames Sorgerecht eingeräumt worden ist, mag ein erstes Indiz dafür sein.

In anderen Fällen steht das Verfahren still. Noch immer haben Väter von unehelichen Kindern kein Recht auf Kontakt. Verhindert wird dies durch den Paragraphen1711 BGB, der dem Vater nur dann einen Umgang zugesteht, wenn er nachweisen kann, daß seine Besuche dem Wohl des Kindes dienen. Schon vor über einem Jahr hoffte Werner Sauerborn, Vorsitzender des Vereins „Väteraufbruch“ in Stuttgart, auf eine Umdrehung des Paragraphen1711. Wenn die Mutter nachweisen muß, daß ein Umgang dem Wohl des Kindes schadet, befindet sich der Mann, der tatsächlich seinem Kind ein guter Vater sein will, in einer deutlich besseren Rechtssituation.

Viele Väter nichtehelicher Kinder fühlen sich und ihre Töchter und Söhne diskriminiert. „In der Geburtsurkunde steht mein Name handschriftlich an den Rand gekritzelt. Wie der letzte Dreck...“ Eine Stimme bei einer Sitzung von „Väter für Kinder“. Namentlich genannt werden will der Vater nicht, denn wer sich gegen das geltende Recht auflehnt und an die Öffentlichkeit geht, bekommt eine Ohrfeige nach der anderen. Einem Vater in Stuttgart wurde das Besuchsrecht unter anderem mit der Begründung verweigert, er habe sich kritisch zum Nichtehelichen-Recht in einem Interview geäußert. Eine schlichte Beschwerde der Mutter beim Jugendamt, sie leide darunter, hatte genügt. Beim Münchener Verein „Väter für Kinder“ einen der frustrierten Männer vors Mikrofon zu bekommen, ist seither so gut wie unmöglich. Sie alle haben Angst vor den Konsequenzen.

In Berlin wurde einem Vater untersagt, sich seinem nichtehelichen Kind auf weniger als 100 Meter zu nähern, im Rheinland mußte ein Vater ins Gefängnis, der seinen Sohn auf der Straße getroffen und zu einem Eis eingeladen hatte. Er hatte kein Umgangsrecht. Im Kampf um dieses Recht gab ein Vater zu, nächtelang um sein Kind geweint zu haben. Die Familienrichterin lehnte seinen Antrag ab, weil „ein Waschlappen“ ohnehin nichts bei einem Kind zu suchen habe.

Den Vätern in den Vereinen — ein dritter ist „Dialog“ in Aachen — geht es weniger um sie selbst, als um ihre Kinder. Sie wollen für ihre Kinder keine Fremden sein, wenn sie sich nach Jahren doch einmal treffen. Die Erfahrung, daß Kinder den Müttern ihren Alleinerziehungsanspruch später nicht selten zum Vorwurf machen, ist für sie Ansporn, es nicht so weit kommen zu lassen. Denn in den meisten Fällen gab es ja einmal enge Bande zwischen Vater und Mutter.

„Väter für Kinder“ wurde ursprünglich gegründet, um ein 16jähriges schwangeres Mädchen zu unterstützen, das von seinem Freund sitzengelassen worden war. Viele der Gründungsmitglieder waren Väter nichtehelicher Kinder, die ihre leiblichen Kinder nicht sehen durften. Ihr erster kleiner Versuch zum Wachrütteln endete übrigens kläglich: Als das Sozialamt von der freiwilligen Väterhilfe erfuhr, strich es sofort die Leistungen für die junge Frau.

Unermüdlich versucht der Verein seine Ansichten den zuständigen Stellen zuzutragen, die Kinderrechts-Experten mühsam erarbeitet haben. Aber es ist ein langer Weg. Der nichteheliche Vater Dr. Peter Koeppel, der den Verein 1988 gegründet hat, zog sich nach drei Jahren zerschlissen zurück. Der Münchener Volljurist hatte sich ganz in den Dienst des Vereines gestellt, ihn vor allem in Bayern, allmählich aber auch bundesweit etabliert. Professor Reeken, sein Nachfolger, kommt aus Bochum. Er versucht vor allem, Bewußtsein ins Land hinauszutragen. „Wir stehen Vätern, die sich nicht an der Erziehung ihrer Kinder beteiligen, kritisch gegenüber“, sagt er. „Wir mißbilligen aber auch das Verhalten von Müttern, die die Väter ihrer Kinder nach der Trennung von diesen fernhalten.“

„Die Vorstellung, daß nur die Mutter die einzig wichtige und gute Bezugsperson für Kinder ist, ist nicht nur Ausdruck von Altruismus, sondern kann auch Ausdruck von Egoismus sein, befördert nicht Väterlichkeit, sondern hemmt sie.“ Worte der heutigen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth aus dem Jahr 1986. Bei einem Symposium in Köln ging es um das Thema „Familien verändern sich“.

Familien verändern sich tatsächlich. Neue Männer brauchte das Land, und einige kamen tatsächlich. Sie stellten die Familie vor die Karriere und verkrochen sich nicht mehr hinter der Arbeit. Wenn in der Beziehung alles in Ordnung ist, zeigen die Mütter stolz die Fotos ihrer Partner, wie sie dem Sprößling die Windeln wechseln. Andere Väter, die ihr Kind noch nie, oder schon Monate nicht mehr gesehen haben, können da nur schlucken. Sie müssen sich Aussagen anhören wie „Hat der biologische Vater nie eine Beziehung zu seinem Kind aufgebaut, ist es ohnehin kaum denkbar, daß ein Umgangsrecht dem Wohl des Kindes entspricht“ (Familienrichterin Dr. Ulrike Schmidt-Aßmann beim 57. Juristentag in Mainz).

Wie unausgegoren die Gesetzgebung ist, beweist die Tatsache, daß Väter nichtehelicher Kinder zwar ihr Kind nicht sehen dürfen, jedoch das halbe Kindergeld erhalten. Was sind sie also? Erzeuger, Väter oder Deppen der Nation, die niemand als Väter für voll nimmt, deren Bedeutung als Bezugsperson für das leibliche Kind niemand sieht? Die Rolle des leiblichen Vaters im Leben eines Kindes wird dabei nur bei Familien ohne Trauschein hinterfragt. Wurde brav geheiratet, besteht zumindest ein Besuchsrecht, selbst wenn die Ehe vor der Geburt des Nachwuchses geschieden wurde.

In funktionierenden Lebensgemeinschaften, die bewußt auf den Trauschein verzichten, hat das geltende Recht ebenfalls viele Auswirkungen. Damit der nichteheliche Vater sein Kind vom Kindergarten abholen kann, benötigt er die Genehmigung der Mutter, dasselbe für den Arztbesuch und für praktisch alle kleinen und größeren Dinge des täglichen Lebens.

Warum? Kinder aus Ehen haben ein Recht auf Eltern, Kinder aus sogenannten wilden Ehen nur ein Recht auf die Mutter. Für die „Väter für Kinder“ ein Verstoß gegen das Grundgesetz (Artikel3 und 6), nach dem niemand aufgrund seiner Herkunft benachteiligt werden darf. Noch deutlicher wird Diskriminierung in jeglicher Form im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt) untersagt, der über den Artikel25 des Grundgesetzes („Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts gehen den Bundesgesetzen vor“) durch ein Zustimmungsgesetz seit März 1976 als geltendes Bundesrecht in Kraft ist. Die Kinderrechtekonvention der Vereinten Nationen hat die im UN- Zivilpakt formulierten Rechte speziell für Kinder präzisiert. Nach dem Zivilpakt dürfte es keine Unterschiede zwischen Kindern von Verheirateten, geschiedenen oder getrennt Lebenden und Nichtverheirateten geben. Das aber ist in der Bundesrepublik nicht der Fall und einer der Gründe, warum die Bundesregierung die Kinderrechtekonvention nur unter Vorbehalten zu ratifizieren beabsichtigt.

Das Staatssystem in der Bundesrepublik baut schließlich auf die Familie. Das Steuerrecht, das Gesundheitswesen, die Rentenpolitik, das Erbschaftsrecht, alles setzt auf dieselbe Grundlage. Gibt es weniger Familien, so knarrt es in den Fugen. Denn daß Mann und Frau heiraten und Kinder kriegen, ist normal. Die Frage, warum das denn normal sei, beantwortete ein Bundestagsabgeordneter in einem privaten Gespräch mit den Worten: „Weil das immer schon so war.“ Gerade die konservativen Länder der Südschiene Bayern und Baden-Württemberg versuchen mit allen Mitteln dafür zu sorgen, daß das auch so bleibt.

Jedes Jahr werden etwa 70.000 Kinder nichtehelich geboren. Viele von ihnen sind Verhütungsunfälle, sind Folgen einer Affäre. Oft sind auch die Beziehungen einfach nicht gefestigt genug, um die Schwierigkeiten einer Schwangerschaft zu überstehen. Wie auch immer. Meistens bleiben Kinder ohne ihren leiblichen Vater zurück. [sie bleiben nicht zurück! auch die mutter ist durchaus in der lage, verantwortungsvoll für ihr kind zu entscheiden. eineR muß ja schließlich... die k.in] Ärzte, Psychologen, Sozialpädagogen, alle legen sie immer wieder Gutachten vor, um wieviel schwerer sich Trennungskinder in ihrem Leben, in einer Ellenbogengesellschaft tun.

Psychische Schäden bei den nicht verheirateten Vätern und den nichtehelichen Kindern sind aber noch nicht alles. Ein Beispiel: Das Sorgerecht für ein nichteheliches Kind erhält im Normalfall die Mutter. Stirbt sie, ist das Kind Vollwaise. Die normale Konsequenz ist das Heim. „Ist ein uneheliches Kind erstmal im Heim, kriegt man es fast nicht mehr raus“, sagt Dr. Koeppel. Statt dessen wird dann der biologische Erzeuger auf einmal zum Vater. Koeppel: „Zum Trennungsschmerz kann ihn dann noch eine Zahlungsverpflichtung ans Heim von cirka 4.000 Mark pro Monat treffen.“

Deshalb, so Koeppel, „fordern wir die Gleichstellung von ehelichen und unehelichen Kinder. Die gemeinsame Sorge für das Kind muß gesetzlicher Regelfall werden.“

Mathias Petry