: Die Japaner gingen nicht wählen
„Internationale Sozialdemokraten“ sind Sieger bei der Wahl zur Kommunalen Ausländervertretung/ Die Wahlbeteiligung lag bei 21,5 Prozent/ Jetzt wird eine schwere „Regierungsbildung“ erwartet ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Frankfurt/Main (taz) — „Die Japaner gehen nicht wählen, die kaufen lieber die Stadt auf.“ Multikulturdezernent Dany Cohn-Bendit versuchte zu erklären, warum sich nur 21,5 Prozent der wahlberechtigten 113.000 AusländerInnen in Frankfurt am Main an der ersten Wahl zur Kommunalen Ausländervertretung (KAV) beteiligten.
Die rund 30.000 japanischen, britischen und US-amerikanischen Banker, die gutsituierten ausländischen Restaurantbesitzer und die Mitarbeiter etwa des Institut Francais hätten eben keine Probleme in der Mainmetropole — „und die Stadt hat keine mit ihnen“. Und deshalb, so der Grüne, müsse man eigentlich von einer Wahlberechtigtenzahl von nur rund 80.000 Menschen ausgehen. Unter Berücksichtigung dieses Aspektes sei die Wahlbeteiligung als „Erfolg“ zu werten.
Nach Cohn-Bendits Rechnung ging „etwa ein Drittel“ der in Frankfurt lebenden Ausländer am Sonntag zur Wahl. Und sie haben die Liste „Internationale Sozialdemokraten“ zur stärksten Fraktion in der KAV avancieren lassen.
„Kroatisch“ wählen
Exakt 12,58 Prozent erhielten die Frankfurter Sozialdemokraten mit ausländischen Pässen, die als Spitzenkandiaten das SPD-Kreisvorstandsmitglied Turkut Yüksel ins Rennen um die Wählergunst geschickt hatten. Als „große Überraschung“ wurde auf der Wahlparty im Römer dann das gute Abschneiden der „Kroatischen Liste“ gewertet, die mit 12,16 Prozent nur knapp hinter den Sozialdemokraten den zweiten Rang belegte — gefolgt von der islamischen Liste „Gemeinsam für eine bessere Zukunft“. Für die Kroaten selbst war das „ausgezeichnete Ergebnis“ aber keine Überraschung. Hier in Frankfurt habe man erstmals die Möglichkeit gehabt, „kroatisch“ zu wählen, sagte eine zufriedene Kandidatin. Zu Hause habe man dagegen immer „jugoslawisch“ votieren müssen. Die „Serbische Liste“ kam nur auf 4,24 Prozent der Stimmen. Zwei Serben werden also in der KAV, die sich am 21. Januar 1992 konstituieren wird, sechs Kroaten gegenübersitzen.
Im Gespräch mit der taz bedauerte Cohn-Bendit, daß die Afrikaner nicht in der KAV vertreten sein werden. Und auch die multikulturellen Listen schnitten eher schlecht ab. Der Multikulturdezernent glaubt, daß vor allem progressive Jugendliche die Wahl boykottiert hätten, „weil für die offenbar nur das kommunale Wahlrecht zählt“. Darüber hinaus hätten es vor allem die multikulturellen Listen schwer gehabt, eindeutiges Profil zu zeigen. So kam die „Multikulturelle Liste Frankfurt“ mit dem SOS-Rassimus-Begründer del Pozo nur auf 4,4 Prozent der Stimmen. Die „Internationale Liste Frankfurt“, für die sich Ausländerpfarrer Lüderwaldt stark gemacht hatte, erhielt immerhin noch 8,07 Prozent und damit vier Sitze in der KAV. Daß in der KAV jetzt „polnische Verhältnisse“ herrschen, ist für Cohn-Bendit keine Katastrophe: „Die müssen sich jetzt zusammenraufen, nach tragfähigen Mehrheiten suchen und Arbeitsstrukturen entwickeln.“
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