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Ammoniak auf Carricknafreghoge

■ Die Belfaster Malerin Rita Duffy

Eine Malerin, die Bosch, Dix und Grosz als ihre Vorbilder nennt und in Belfast lebt, findet weiß Gott genug Stoff für ihre bissigen und sarkastischen Zeichnungen und Gemälde. Rita Duffy, 32 Jahre alt, Künstlerin, Feministin, braucht sich nur in ihrer näheren Umgebung umzuschauen und erblickt bizarre Szenen, für die ein Hieronymus Bosch noch in die Tiefen des Infernos hinabtauchen mußte.

Da sind die grotesken Aufmärsche der Orangisten Ulsters an jedem Jahrestag jener Schlacht an der Boyne, die William von Oranien 1690 gewann und damit die Vorherrschaft der Protestanten in Nordirland sicherte; das tumb-fanatische Gesicht des loyalistischen Demagogen Ian Paisley; die abstrusen Riten der katholischen Kirche, das martialische Gehabe der IRA-Kämpfer, das großkotzige und gleichzeitig furchtsame Auftreten der britischen Besatzungsarmee.

Mit leuchtenden, klaren Farben spiegeln die Bilder der 32jährigen Malerin die nordirische Realität wider. Alltagserlebnisse gerinnen zu Kunstwerken: der von den englischen Soldaten immer wieder sabotierte Leichenzug des IRA-Mitglieds Larry Marley wird zum Gemälde The Marley Funeral, der Boyne-Jahrestag zu Eleventh Night in the Jubilee, die Vergiftung irischer Felder zu Alexander Beattie loves to spray Ammoniacal Nitrogen over Carricknafreghoge, die umstrittenen Selbstjustizpraktiken der IRA zu The Kneecapping, ein Werk, das bei einer Ausstellung im katholischen Westbelfast für Ärger sorgte. Für dieses Bild sei leider kein Platz mehr, wurde Rita Duffy beschieden, mit der Drohung, ihre sämtlichen Bilder zurückzuziehen, setzte sie sich jedoch durch.

Die Werke der Belfaster Künstlerin zeichnen sich durch die Liebe zum Detail aus. Eines ihrer bekanntesten Stücke, Mother Ireland, zeigt eine Mutter mit vier Kindern auf dem Schoß, eines davon ziemlich ungezogen, die die vier Provinzen Irlands symbolisieren: Munster, Leinster, Connaught und das aufmüpfige Ulster. Ein Bügeleisen und einer von Rita Duffys mit giftigem Pinsel gemalten Bischöfen weisen auf das Schicksal der irischen Frauen hin, zu Füßen der Figuren liegt Spielzeug herum, das sich bei näherem Hinsehen als eine Sammlung von Kränen aus dem Belfaster Hafen entpuppt.

Aufsehen erregte die Freundschaftsmauer, die sie in Larne bemalte, um die Notwendigkeit der Beseitigung der Mauern »im Kopf und auf der Straße« zu fordern.

Bei der Ausstellung in Berlin werden erstmals sechs Gemälde und einige Zeichnungen aus der Judith Ward Series gezeigt, ein Zyklus, der Judith Ward gewidmet ist, die seit 1974 in einem englischen Gefängnis sitzt, nachdem sie wegen mehrerer Bombenanschläge, die sie vehement abstreitet, verurteilt worden war. Der Richterspruch beruhte ebenso wie im Fall der mittlerweile rehabilitierten Birmingham Six und anderer unschuldig Verurteilter auf erpreßten Geständnissen und dubiosen Beweisen. Mit ihrer Judith Ward Series will Rita Duffy dazu beitragen, daß der Ward-Fall wieder aufgerollt wird. Matti

Rita Duffy: Gemälde und Zeichnungen, galerie + edition caoc , Schliemannstr. 23, Quergebäude Obergeschoß, O-1058 Berlin;

Die Ausstellung läuft vom 7. bis zum 23. Dezember.

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