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Koalitionsgerangel: Ende offen

■ Wird aus sozialliberal wieder eine Ampel? / Kunick: Wedemeier soll gehen

Das politische Karussell dreht sich immer schneller. Nachdem die Grünen am Samstag Nein zur Ampel gesagt hatten und FDP und SPD daraufhin zunächst auf eine sozialliberale Koalition mit grüner Tolerierung gesetzt hatten, stehen die Zeichen für die Bürgerschaftssitzung am Mittwoch wieder auf Ampel. Die Grünen wollen heute abend auf ihrer Landemitgliederversammlung eine möglichst deutliche Korrektur des Ergebnisses vom Samstag erreichen. Unter dieser Voraussetzung wäre Bürgermeister Klaus Wedemeier dann wieder bereit, die Lichter der Ampel anzuknipsen. Wedemeier gestern abend zur taz: „Wenn die Grünen ein Mandat haben, am Mittwoch den Koalitionsvertrag zu unterzeichnen, steht die Verabredung.“ Dann könnten auch die grünen SenatorInnen gleich mitgewählt werden. (vgl. S.4/22) Als der SPD-Landesvorstand sich für eine sozial-liberale Koalition ausgesprochen habe, so Wedeeier, sei noch nicht bekannt gewesen, daß die Grünen noch vor der Bürgerschaftssitzung das Ergebnis revidieren wollen.

Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Claus Jäger sah wieder eine Möglichkeit für die Ampel: „Wir haben gesagt, daß es Aufgabe der Grünen ist, ihre Politikfähigkeit wiederherzustellen. Wir haben nicht gesagt, wie sie das machen sollen.“ Für Jäger tat sich gestern ein neues Problem auf, die SPD: „Das macht mir viel mehr zu schaffen“, sagte er und meinte damit die erste öffentliche Stimme für eine große Koalitin.

Die hatte am Morgen der Noch-Häfen-Senator Konrad Kunick im Rathaus abgegeben, wo er vor der Presse eigentlich zum Thema Entwicklung der Bremischen Häfen sprechen wollte. „Wir haben hier fast eine putschistische Struktur: Es soll blitzschnell ein Senat installiert werden, obwohl das grüne Licht in der Ampel durchgeknallt ist. Es muß jetzt mit der CDU geredet werden“, hatte Kunick verlangt und dann den Rücktritt von Klaus Wedemeier gefordert: „Wedemeier hätte gute Gründe jetzt auszuscheiden.“

In der SPD-Vorstandssitzung am Sonntag abend hatte auch der Bundestagsabgeordnete Ernst Waltemathe eine große Koalition verlangt. Der Vorstand solle Ex- Bürgermeister Hans Koschnick beauftragen, mit der CDU Verhandlungen zu führen, so Waltemathes origineller Vorschlag, für den sich in der Vorstandssitzung aber sonst niemand begeistern mochte.

Doch durch die jetzt offene Parteinahme für eine Koalition mit der CDU, so die Befürchtung, könnten sich Mitglieder der SPD- Fraktion ermuntert fühlen, sozial-liberal oder Ampel im letzten Moment bei der Senatorenwahl zu kippen. „Ich habe nicht die Absicht, mich zur Wahl zu stellen, damit mich diejenigen, die eine große Koalition wollen, dann durchrauschen lassen“, stellte Jäger denn auch gestern fest.

Wedemeier gibt sich von der Kunick-Attacke dagegen unbeeindruckt. „Die FDP ist solche Auseinandersetzungen nicht gewohnt. Jäger muß keine Sorge haben,“ erklärte er nach der Fraktionssitzung, die eine überwältigende Mehrheit für eine sozialliberale Koalition sah. 41 Genossen stimmten in geheimer Abstimmung dafür, einer dagegen, drei enthielten sich.

In der Sitzung hatte Wedemeier erklärt, daß er für eine Große Koalition nicht zur Vefügung stehe. „Alle Großen Koalitionen belegen, daß sich zwei annähernd gleich große Partner zunehmend gegenseitig blockieren“, erklärte Wedemeier. „Kunicks Äußerungen sind in der Fraktion auf großes Unverständnis gestoßen. Alle fanden das Verfahren unmöglich“, erklärte auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Claus Dittbrenner.

Die SPD-Fraktion will sich nachts nach den Parteitagen zusammensetzen, um zu beraten, ob es dann eine Grundlage gibt, die sozialliberale Koalition wieder zur Ampel zu machen. hbk

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