KOMMENTAR: Tunnelträume
■ Wer hat Angst vor dem Tiergartentunnel?
Der Tunnel an sich beflügelt die Phantasie einfach kolossal. Da gibt es die finstere Röhre der Kriminalschriftsteller, in die sie ihre Eisenbahnmörder auf Opfersuche schicken. Es gibt die Idee vom Kanaltunnel, durch den Napoleon gerne nach England marschiert wäre. Und — natürlich — gibt es den alten Menschheitstraum, unter dem Berliner Tiergarten einen Autotunnel zu graben, mit dem der Dauerstau endlich unter die Erde verschwindet.
Nicht immer sind das nur Phantasieprodukte. Der Kanaltunnel wird schließlich wirklich gebaut. Die ständig wiederkehrenden Diskussionen um einen Tunnel unter dem Tiergarten dagegen — die gehören eindeutig in die Abteilung »Fromme Wünsche, Märchen und Senatsbeschlüsse«. Mindestens zehnmal haben wechselnde Senatskoalitionen den Tunnel schon beschlossen. Trotzdem ist die Planung nie über das Anfangsstadium hinausgelangt. Kein Wunder, denn selbst größten Bäumehassern war ein Makel des Vorhabens immer klar: Daß die Röhre die Autos stets nur für Minuten verschlucken würde, die Milliarden aber auf ewig.
Ökologisch gesinnte Menschen dürfen es deshalb als gute Nachricht aufnehmen, daß der Senat selbst davon ausgeht, daß die Stadt den Betonwurm zwar auf Bonner Wunsch bauen, aber aus eigener Tasche bezahlen müßte. Mal eben eine Milliarde hat der Finanzsenator in den nächsten Jahren keinesfalls frei. Wenn doch, folgen Bürgerproteste, Gerichtsverfahren, Regierungswechsel. Nur der Traum vom Tunnel — der wird bleiben. Hans-Martin Tillack
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