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Wer säuft, sündigt nicht Von Rolf Achteck

Berlin trockzulegen, das haben sich, wie die Berliner Boulevardgazette 'BZ‘ „exklusiv“ meldete, zwei Bonner Bundestagsabgeordnete vorgenommen. Um der steigenden Kriminalität in der Hauptstadt Herr zu werden, wollen zwei innenpolitische Experten der CDU/ CSU-Fraktion, Günter Klein (Bremen) und Gerhard Friedrich (Erlangen), die Sperrstunde wieder einführen. So jedenfalls die 'BZ‘, die den Abgeordneten Klein am Montag mit der markigen Parole zitiert, daß auf diese Weise „Verbrechensnester unter Kontrolle“ gehalten werden könnten. Seitdem tobt in der Stadt ein Sturm im Bierglas, der deutlich macht, daß wenn Deutschland irgendwo einig ist, dann ein einig Volk von Trinkern. Die Berliner Politprominenz hat den aus Bonn lancierten Angriff auf die Kneipenöffnungszeiten jedenfalls mit einer Verve zurückgeschlagen, als wolle man ihnen die Diäten kürzen: Ex-Innensenator Heinrich Lummer (CDU) etwa bestritt den Zusammenhang von Sperrstunde und Kriminalität aufs schärfste, Kneipen seien „Kommunikationszentren“, deren trinkende Gäste nicht „klauen“ gingen: „Wer den Leuten ab 1 Uhr den Schnaps verbieten will, muß nicht ganz klar im Kopf sein. Das ist wirklich eine Schnaps- Idee.“ Auch CDU-Fraktionschef Landowsky („Quatsch-Idee“), FDP-Geschäftsführer Biederbicke („Provinz-Posse“) und SPD-Wirtschaftssenator Meisner („Warum denn nicht gleich Ausgehverbot?“) konterten den Anschlag auf den Berliner Nonstop-Alkoholismus, dessen Naturwüchsigkeit der FDP-Innenexperte Lüders auf den Punkt brachte: „In Berlin wird durchgehend gearbeitet. Hier muß auch rund um die Uhr gefeiert werden können.“ Daß dem zukünftigen Regierungssitz Berlin hinter den Bonner Kulissen gerade ein Ministerium nach dem anderen vorenthalten wird, scheint für die Hauptstädter nachgerade harmlos, verglichen mit dem Anschlag auf die Kneipenkultur. Die Lokalpresse zog am Dienstag mit großen Stories nach: „Politiker schlagen Vorstoß auf Bierhähne zurück“ berichtet der 'Tagesspiegel‘, und die 'BZ‘ gibt sich ganzseitig kämpferisch: „Sperrstunde: Die Bonner wollen uns trockenlegen — Berliner kämpfen um ihre lange Nacht.“ Zitiert werden der Kripochef, der betont, daß „nüchterne Lokalgäste um 23 Uhr in größerer Gefahr sind als nachts um 3 Uhr“, sowie ein „Experte“ der für Sperrstunden zuständigen Wirtschaftsverwaltung, der immerhin einen Hauch von Verständnis für die Bonner Forderung durchblicken läßt: „Die Bevölkerung sollte nicht durchgehend trinken.“ Und wer weiß, ob uns in den folgenden Wochen nicht noch weitere derart brillante Statements im Streit um den Dauer-Suff blühen würden, hätte nicht der Lokalteil der taz am Dienstag die Sache aufgeklärt, durch einen Anruf bei den beiden Bierhahn-Guerilleros in Bonn. Die Idee, so Friedrich und Klein, sei keineswegs am Bonner „Provinz“- Tresen entstanden, sondern offenbar in der Weltstadt-Redaktion der 'BZ‘. Einem Reporter gegenüber hätten sie zwar auf die Sperrstunde als „ordnungspolitisches Instrument“ verwiesen, jedoch betont, daß dies ausschließlich Sache der örtlichen Polizei sei. Über die 'BZ‘-Schlagzeile „Jetzt wollen Berlin-Gegner Sperrstunde für die Hauptstadt“ hätten sie herzlich gelacht, schließlich hätten sie beide für Berlin als Hauptstadt votiert. Fragt sich nur, wie die 'BZ‘ zu ihrem Dauerbrenner kommt? Wird dort etwa auch tagsüber getrunken? Na denn Prost!

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