piwik no script img

DOKUMENTATION„Einige positive Punkte“

■ Erklärung Gorbatschows zur Gründung des Dreierbundes

Am 8. Dezember 1991 haben die führenden Persönlichkeiten von Weißrußland, Rußland und der Ukraine in Minsk ein Abkommen über die Schaffung eines Bundes unabhängiger Staaten abgeschlossen. Für mich als dem Präsidenten des Landes ist das hauptsächliche Kriterium bei der Prüfung dieses Dokuments die Frage, in welchem Maße es mit den Interessen der Sicherheit der Bürger, den Aufgaben bei der Bewältigung der gegenwärtigen Krise, der Bewahrung des (sowjetischen) Staatswesens und der Fortsetzung der demokratischen Umformung übereinstimmt. Das Abkommen weist einige positive Punkte auf... Es betont die Notwendigkeit, einen vereinten Wirtschaftsraum zu schaffen... Es empfiehlt eine bestimmte Formel für gegenseitiges Handeln im militärstrategischen Bereich. Doch das Dokument ist von solcher Bedeutung, berührt so grundlegend die Interessen der Völker unseres Landes und der Weltgemeinschaft als Ganzes, daß es einer allumfassenden politischen und rechtlichen Prüfung bedarf... Das Abkommen stellt klar fest, daß die UdSSR aufgehört hat zu existieren. Unwidersprochen hat jede Republik das Recht, sich von der Union zu trennen. Doch das Schicksal des multinationalen Staates kann nicht durch den Willen der führenden Persönlichkeiten von drei Republiken entschieden werden. Diese Frage darf nur auf verfassungsmäßigem Wege unter Beteiligung aller souveränen Staaten und unter Berücksichtigung des Willens ihrer Menschen geklärt werden. Die Erklärung, daß alle rechtlichen Normen der Union aufgehört haben zu existieren, ist auch widerrechtlich und gefährlich, und sie kann das Chaos und die Anarchie in der Gesellschaft nur verschlimmern. Die Hast bei der Veröffentlichung des Dokuments löst auch Verblüffung aus. Es ist weder von der Bevölkerung noch von den Obersten Sowjets der Republiken, in deren Namen es unterzeichnet wurde, diskutiert worden. Zudem erschien es zu einem Zeitpunkt, da die Parlamente der Republiken den Entwurf des Vertrags über eine Union souveräner Staaten diskutieren, der vom Staatsrat der UdSSR ausgearbeitet wurde. Nach meiner festen Überzeugung ist es in der gegenwärtigen Lage erforderlich, daß die Obersten Sowjets aller Republiken ebenso wie der Oberste Sowjet der UdSSR sowohl den Entwurf über die Union der souveränen Staaten als auch das in Minsk abgeschlossene Abkommen diskutieren. Soweit das Abkommen eine andere Form des Staatswesens vorschlägt ..., ist es erforderlich, den Kongreß der Volksdeputierten der UdSSR einzuberufen. Auch würde ich die Möglichkeit nicht ausschließen, ein nationales Referendum über diese Frage abzuhalten. ap (leicht gekürzt)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen