piwik no script img

Der Pate wird leben

■ Im Fall Schockemöhle ermittelt nun sogar der Verband, doch der „Pate“ ist zum Fallen zu mächtig

Berlin (taz) — Bei Paul Schockemöhle wird weiter gebarrt. Um des Erfolgs und des höchstmöglichen Erlöses wegen. Nie hat er das verheimlicht. Sein Lieblingssatz: „Ich bin vor allem Geschäftsmann.“ Mit Anerkennung würde er überschüttet, hätte er ähnlichen Geschäftserfolg in einer anderen Branche. Doch der Handel mit lebendiger, nichtmenschlicher Materie ist ein sensibler. Weil Menschen nunmal Tiere lieben. Je größer sie werden, desto mehr. Als Eigner eines Hühner-KZs hatte P.S. seinerzeit weniger Probleme mit dem Tierschutz.

Doch Paul Schockemöhle handelt mit Pferden. Er bringt sie zum Springen. Mit Mitteln, die in der Branche selbstverständlich, in der Öffentlichkeit geächtet sind. Um diese Diskrepanz zwischen Fachmensch und Laie ein wenig zu übertünchen, einigte man sich in der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) vergangenen Jahres auf die Formel „Touchieren“ — eine reglementierte und weniger brutale Form des Barrens. Eine Scheinformel, denn Touchieren mit einer leichten Stange soll die Pferde aufmerksam machen, ihnen jedoch keinen Schmerz zufügen. Doch wenn's dem Pferd nicht weht tut, hebt's eben nicht die Hufe. Paul Schockemöhle weiß das, alle Reiter wissen das. Also muß bei „unaufmerksamen“ Pferden eben die dicke Stange her, die verbotene.

Die Videos in „Stern-TV“ zeigen eindeutig, daß mit einer dicken Hindernisstange gebarrt wird. Und zwar nicht nur auf die Fesseln: 23mal bekam ein an der Longe über den Sprung gejagtes Auktionspferd Schläge in die Weichteile. (Originaltext FN-Regeln: „Die Helfer müssen über Geschick und Gefühl beim Einsatz der Touchierstange verfügen. Die Pferde müssen sich gleichmäßig und vertrauensvoll zum Sprung reiten lassen.“)

Ob dieser Beweise kann der Verband nicht länger stillhalten. FN- Präsident Graf Landsberg-Velen kündigte schweren Herzens Ermittlungen gegen den Stall Schockemöhle an, von dem sein Verband bekanntermaßen abhängig ist. „Gegen alle Beteiligten wird ermittelt.“ Was aber ist mit dem Verantwortlichen Schockemöhle? Momentan deutet alles darauf hin, daß die Lakaien geopfert werden, um den Paten zu retten. An Stallmeister Josef Klaphake, der laut 'Stern‘ der „Barrer“ sein soll, könnte der Kelch vorübergehen, er ist nicht eindeutig zu identifizieren. Doch Nachwuchsreiter Gerardus Krijnen muß dran glauben: Schockemöhle hat ihn sofort beurlaubt. Aber keine Angst: sobald sich die Aufregung gelegt hat, wird auch Krijnen wieder aus der Versenkung auftauchen.

Noch ist die Aufregung enorm: Der Tierschutzbund hat Strafanzeige wegen Tierquälerei gestellt und fordert, Schockemöhle die Lizenz zur Tierhaltung zu entziehen. Eine Forderung, die im vorolympischen Jahr fast lächerlich wirkt. Denn natürlich wird der Reit-Verband Schockemöhle retten, sonst nämlich gibt's keine Pferde für Barcelona 1992, mithin keinen Ruhm, keine Ehre und schon gar kein Geld. Bleibt dem Tierschutzbund nur zu empfehlen, sich einmal grundsätzliche Gedanken zum Springsport zu machen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen