: Nach der Ampel jetzt die APO
■ Für öffentlichen, kritischen Diskurs
Wir haben die Ampel gewollt, nachdem Rot-grün nicht zu haben war. Rot-grün wäre das spannendere Experiment gewesen. Sicher. Aber ein äußerst gefährdetes. Und ein Bündnis zwischen der sozialdemokratischen Tradition, dem ökologischen und gesellschaftlichen Aufbruch und dem politischen Liberalismus kann auch aufregend werden - wenn jeder seine Sache offen und selbstbewußt vertritt und vom anderen zu lernen bereit ist. Wenn.
Wer aber hindert die Koalitionäre daran, sich ab sofort statt auf die Zukunft allein auf das naheliegende Gestrüpp kommunaler Details und finanzieller Machbarkeit zu konzentrieren? Wer achtet darauf, daß sie die wegweisenden Perspektiven im Auge behalten und nicht nur den eigenen Vorgarten?
Sie selbst? Das wäre viel verlangt, zuviel. Wir sollten sie nicht überfordern. Die Opposition? Oh Gott. Käme da doch wenigstens ab und zu ein Hauch von aufgeklärtem Konservatismus zum Vorschein, statt dieses Übergewichts an Kleingeisterei und schlichter Dummheit, das sich da überwiegend artikuliert. Mal im Ernst, mit so etwas wollte wirklich jemand koalieren?
Immerhin, eins ist klar: Unter Druck wird die Ampel von rechts geraten, den Wirtschaftsflügel der FDP und einige lern- und zukunftswillige Sozialdemokraten eingeschlossen. Die Linke (in allen drei Ampel-Parteien) dürfte da leicht in die Gefahr geraten, staatstragend und regierungstreu zu werden. Das gilt zumal für die SPD-Linke, nachdem sie alles, was nach neuer Idee auszusehen verdächtig war, ausgegrenzt und totgeschwiegen hat.
Im Einzelfall mag eine solche Metamorphose reizvoll sein, aufs Ganze besehen würe sie höchst fatal. Die Ampel muß, soll sie funktionieren, unter Strom gehalten werden. Jeder der drei Partner muß unter einem ständigen Begründungszwang stehen, muß seine Handlungen immer wieder neu vor seinen eigenen grundlegenden Ideen, vor dem geistigen und moralischen Traditionslinien, in denen er steht. vor den Zukunftsperspektiven, die mit seiner Programmatik verbunden sind, rechtfertigen müssen; vier Jahre Koalitionsverhandlungen in aller Öffentlichkeit sozusagen.
Dieser Druck kann nicht aus den Parteien selbst heraus kommen, sondern nur aus einer kritischen Öffentlichkeit. Ob die, die daran teilnehmen, inner-, außer-, über- oder gar nicht parteilich verankert sind, ist weniger wichtig, als die Frage ob sie sich beteiligen wollen an dem, was in Bremen grundlegend fehlt, nämlich einer öffentlichen politischen Debatte, an der teilzunehmen jeder und jede Chance hat. Eine solche Debatte ist in Bremen unmöglich? Natürlich.
Seien wir also realistisch, fordern wir das Unmögliche.
Gerd Syben
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