piwik no script img

Bündnis 90 grenzt sich von AL ab

■ Mitgliederversammlung von Bündnis 90 diskutiert über Bezirkswahlkampf/ Gegen allzu enge Kooperation mit der AL/ Vor der Fusion mit der AL will das Bündnis selber stärker werden

Berlin. Zwistigkeiten mit der Westberliner AL stehen auf der Tagesordnung, wenn sich das Bündnis 90 an diesem Wochenende zu einer Mitgliederversammlung trifft. Eine Beschlußvorlage zum Thema der Bezirkswahlen im Mai, die der Geschäftsführende Ausschuß (GA) des Bündnis den Mitgliedern vorlegt, hat schon im Vorfeld bei der AL für Aufregung gesorgt. »Die kapseln sich wieder ab«, fürchtet der Westberliner Abgeordnete Bernd Köppl, der erst kürzlich dafür plädiert hatte, noch im nächsten Jahr eine Fusion von AL und Bündnis zu beschließen.

Zwei Dinge sind es, die auch Jochen Esser vom Geschäftsführenden Ausschuß der AL als »sehr befremdlich« empfindet. Erstens ist in der Vorlage des Bündnis-GA nicht mehr von einem »gemeinsamen Wahlkampf« die Rede — obgleich unstrittig ist, daß beide Organisationen nicht gegeneinander konkurrieren und Programm und Plakate gemeinsam produzieren. Zweitens lehnen die Bürgerbewegten die AL-Forderung ab, über das Wahlprogramm auf einer gemeinsamen Delegiertenversammlung abzustimmen.

Die Grünen wollten auf der gemeinsamen Tagung ihre mißtrauische Basis einbinden und ein »Signal« der Zusammenarbeit setzen. In den Augen von Uwe Lehmann vom Bündnis-GA wäre diese Versammlung dagegen genau das »falsche Signal«. Sie könnte das — falsche — Bild einer vollzogenen Fusion vermitteln, meint der Ostberliner, der wie Köppl in der gemeinsamen Fraktion im Abgeordnetenhaus sitzt.

Um die Basis der Partnerorganisation wieder auf Kooperationskurs zu bringen, hat die AL einige Vorstandsmitglieder zu der Bündnis- Versammlung entsandt. Uwe Lehmann ist jedoch skeptisch, ob die Westgrünen damit Erfolg haben werden. »Die Mehrheit unserer Mitglieder ist bisher nicht überzeugt, daß wir schnellstmöglich mit dem Grünen zusammengehen müssen«, meint er. Die Westberliner müßten endlich einsehen, daß das Bündnis nicht in dem von der AL gesetzten Tempo mithalten könne: »Wir fühlen uns von ihnen ziemlich gedrückt.«

Mit einem Artikel in der Mitgliederzeitung der Bürgerbewegten hatte Lehmann erst kürzlich die AL- Strategen aufgeschreckt. Der Abgeordnete wendet sich dort gegen die »schnelle Fusion« und plädiert dafür, zunächst das ausgezehrte Bündnis 90 als Organisation zu stärken. Die Bürgerbewegten müßten ein »gleichberechtigter Partner« werden, der auch alte Fixierungen in der AL in Frage stellen könne. Bisher, bedauert Lehmann, sei die entgegengesetzte Entwicklung zu verzeichnen. Durch die »mangelnde Aufbauarbeit und die fehlenden Entscheidungsgremien im Bündnis 90 wurde zunehmend die AL dominierend«, konstatiert er.

Er will damit keine Absage an die AL verbinden. »Nur mit den Grünen«, so seine Erkenntnis, »haben wir eine gemeinsame Zukunft.« AL- Politiker wie Köppl lesen aus Lehmanns Artikel trotzdem eine »scharfe Abgrenzung« heraus. »Die haben Schiß, daß sie untergebuttert werden«, vermutet der Westberliner. Mit gut 200 Bündnis-Leuten gegen 2.800 AL-Mitglieder stünden die Ostberliner nun mal zahlenmäßig schlecht da. Trotzdem sei die rasche Fusion eine Frage des politischen Überlebens. Viel eher als gedacht könnten Neuwahlen zum Abgeordnetenhaus anstehen. Köppl drängt deshalb weiter: »Wir haben schon viel zu viel Zeit verloren.« hmt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen