: Kollegiales Kunstschaffen
■ Ein Ausstellung von Thomas Eller, Adib Fricke und Georg Zey im Künstlerhaus Bethanien
Teamwork und Kooperation gelten längst als Voraussetzung für ein effektives Arbeiten im Produktionsprozeß. Daß das Prinzip der Zusammenarbeit nicht nur aus ökonomischen Gründen wirksam ist, sondern auch als künstlerisches Verfahren genutzt werden kann, zeigt eine Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien. Neben der Präsentation von Einzelarbeiten sind Gemeinschaftswerke der drei Künstler zu sehen, die ihre eigenständige Arbeitsmethode in die Kooperationsobjekte integrieren. Während Georg Zey die skulpturale Form untersucht und Adib Fricke vorwiegend das Bedeutungspotential von Sprache thematisiert, erhebt Thomas Eller sein Konterfei zur Kunst-Figur. Jeweils zwei dieser konträren künstlerischen Positionen sind in einem Werk zusammengeführt.
Die Gemeinschaftsarbeit von Thomas Eller und Adib Fricke stellt die Möglichkeit subjektiver Identität in Frage. Das fotografische Abbild von Eller selbst ist in Lebensgröße auf eine Aluminiumplatte aufgebracht und ausgeschnitten. In den Raum gestellt, entsteht auf diese Weise ein Gruppenbild der in Mimik und Gestik kaum wahrnehmbar variierten Person. In den Händen hält sie eine von Fricke konzipierte Schrifttafel mit verschiedenen Vornamen, quasi als überdimensionale Visitenkarte eines seriösen Ansprechpartners oder Kongreßteilnehmers. Es kommen die Nachnamen berühmter Persönlichkeiten wie Siegmund (Freud) oder Samuel (Beckett) in den Sinn, aber zwingend ist das nicht und steht in keiner Relation zur abgebildeten Person. Zwar variieren Gesichtsausdruck und Körperhaltung, doch die Figur ist auf dem Prüfstand der Identitätsangebote nicht als Individuum zu bestimmen.
Georg Zey integriert die Kunstfigur von Thomas Eller in sein bildhauerisches System. Die Abbilder, nun als zehn Zentimeter große Miniaturen, sind, als Konstruktionselemente und durch Scharniere verbunden, zu einem plastischen Körper in Form einer Frucht zusammengefügt. Mit dieser Methode gestaltet Zey eine Anordnung von Banane, Apfel, Birne und anderem als Grundbestandteile eines Stillebens. Die Arbeit von Eller und Zey stellt das traditionelle Stilleben als Bild einer geordneten Weltsicht auf den Kopf. Der Mensch als Maßeinheit ist selbst als kleinstmögliche Einheit nur noch chaotischer Bestandteil einer synthetischen Natur.
In der Zusammenarbeit mit Adib Fricke findet Georg Zey einen Weg, Begriffe mit einem plastischen Verfahren physisch zu verbinden. Eine Molekülanordnung besteht aus Atomen, in die jeweils ein Wort eingegossen ist. In einen Kreis angeordnet, sind die Worte zu lesen: nachher, Hals, Muttermal, seitlich, Bauch, noch, jetzt. Das Atom »nachher« ist mit einem namens »Zunge« verbunden, dem Begriff »Bauch« sind die Atome »langsam« und »daneben« angegliedert. Man fühlt sich an ein Scrabblespiel erinnert, bei dem die Logik der Buchstabenfolge durch eine bildliche Relation der Worte ersetzt worden ist. Als abstrakte Skulptur figuriert, entsteht eine Topografie von Körperteilen und besonderen Merkmalen, die in Raum- (»daneben«) und Zeitkategorien (»langsam«) erfahrbar sind. Abstrakte Begiffe bieten die Möglichkeit einer synthetischen Identität?
Die Gemeinschaftswerke lassen sich als konzeptionelle und inhaltliche Vereinbarung, die in eine künstlerische Form gebracht wird, beschreiben. Die additive Verbindung der unterschiedlichen Verfahrensweisen führt die vorhandenen Werkprinzipien der Künstler zu einer neuen Einheit. Im Gegensatz zur Zusammenarbeit der »Büro Berlin«- Künstler Raimund Kummer und Hermann Pitz in den achtziger Jahren, die auf die Rückführbarkeit ihres Beitrags am Werk verzichteten, setzen die drei Künstler auf das Prinzip der Kombinatorik. Die Schnittstelle der persönlichen Handschrift bleibt erhalten, Kompetenzstreitigkeiten sind ausgeschlossen. Herbert Jochmann
Noch bis zum 5. 1. im Künstlerhaus Bethanien, Studio 1, Mariannenstraße 2, täglich 14-19 Uhr, außer montags (und am 24., 25., 31. 12. sowie 1. 1. 92.) Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen