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Der aussichtslose Kampf gegen die Wüste

Untergehende Städte in Mauretanien: Das zentralafrikanische Land ist zum Symbol der Flucht aus der Not geworden  ■ Von Bruno Crimi

Alles ist hier ockerfarben: der puderfeine Sand, auf dem man läuft, das Minarett der alten Moschee, die Mauern der Häuser, der Himmel. Die Dünen fressen sich Tag für Tag weiter voran, begraben alles unter sich. Chinguetti in Mauretanien war bis vor kurzem die wichtigste Stadt der Sahara; von hier aus starteten die muselmanischen Eroberer, die Marokko und Südspanien im 12. und 13.Jahrhundert beherrschten. Heute liegt die Stadt im Sterben. Die riesige Oase rundherum ist bereits von der Sahara aufgezehrt worden, die Wasserreservoirs sind ausgetrocknet. Es gibt kaum mehr Straßen; in einigen Stadtbezirken läuft man auf den Hausdächern und hält sie für staubbedeckte Wege. In viele Wohnungen kann man nur durch die Fenster hinein. Bis vor zehn Jahren lebten hier zehntausend Menschen, heute sind es gerade noch siebentausend.

Die Wüste frißt sich jährlich um sieben bis zehn Kilometer nach Süden voran und zerstört dabei nicht nur den Ackerbau, sondern auch die Zivilisation der Sahelzone schlechthin; beides hat inzwischen dramatische Formen angenommen. Laut Robert N'Daw, dem Umweltexperten der UNO, verwandeln sich jedes Jahr 70.000 Quadratkilometer bisher produktiven Landes in Wüste — eine Fläche von der Größe eines Siebentels Gesamtdeutschlands. Mittlerweile ist sogar die mauretanische Hauptstadt von den umliegenden Wanderdünen bedroht. Die Weltbank, die die drohende Not zu steuern versucht, gibt alleine für die Reinigung der Straßen der Stadt vom Sand alljährlich mehr als zwei Millionen Dollar aus. Ältere Einwohner der Hauptstadt erinnern sich noch: „Bis vor 30, 40 Jahren sind wir direkt vor den Toren der Stadt auf Antilopenjagd gegangen. Heute ist bis zum Horizont und darüber hinaus alles nur Sand.“

Das Wort „Sahel“ bedeutet Ufer: der Rand der Wüste, an dem man leben kann. Im Laufe der Jahrtausende hat es Zyklen des Vor- und Rückgangs der Wüstenzonen gegeben. Die derzeitige Ausbreitung der Sandgebiete hat in den sechziger Jahren eingesetzt; die Sahelzone ist seither je nach Lage zwischen 250 und 300 Kilometer nach Süden vorgerückt. Die Ursachen sind vor allem klimatisch bedingt: Gegenüber den 150 Litern pro Quadratmeter 1968 fallen heute nur noch 50 bis 60 Liter (nicht einmal ein Zehntel der Menge, die in einer mitteleuropäischen Stadt zu verzeichnen ist). Fand man vordem Wasser in den unterirdischen Reservoirs schon nach vier bis fünf Metern, sind heute Brunnen von mehr als 30 Meter Tiefe vonnöten — und selbst dort versiegt der Quell oft schon nach wenigen Tagen wieder. Die Vegetation schwindet unwiederbringlich.

Doch die Wüste ist nicht nur ein immenses Meer von Sand. In sich birgt sie auch große und kleine Oasen, manche bis in Stadtgröße gewachsen, andere reine Herbergen für Durchziehende, wieder andere nur Wasserstellen. Die neue Wüsten-Ausdehnung bringt auch diese kleinen Inseln des Lebens in größte Gefahr: Für die etwa zwei Millionen Mauretanier auf einem Gesamtgebiet von einer Million Quadratkilometer (etwa dreimal so groß wie Deutschland) sind diese gut hundert Oasen schlicht lebenswichtig. Ohne sie ist weder Ackerbau noch Tierhaltung möglich.

In Toungad läßt Cheney Ould Abdeina seine Frauen im Zelt die drei traditionellen Tees für uns zubereiten: „Der erste ist bitter wie das Leben“, sagt er, „der zweite zart wie die Liebe, der dritte süß wie der Tod.“ Sein Alter will er nicht sagen: „Ich habe schon sehr lange gelebt und viel erlebt; ich erinnere mich noch, als hier alles Gebirge war, als ein Bach herunterlief und es an vielen Tagen im Jahr regnete.“ Doch heute sind da keine Felsen mehr, alles zugedeckt vom Sand. „Tausende von Palmen waren hier, Datteln gab es im Überfluß, und überall weideten Herden, Kamele und Ziegen, jede Familie besaß zwei oder drei Tiere für die Milch.“ Er streichelt den Kopf eines seiner Kinder: „Die hier werden nie mehr erfahren, was Leben in einer Oase bedeuten kann. Heute gibt es keine Herden mehr; wir sind längst alle Vegetarier geworden.“

Einige Versuche zum Stopp für die Wüste gibt es; ein großes Projekt der Weltbank und der FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO) soll etwa 1.200 der derzeit noch vorhandenen 5.000 Hektar Ackerland retten, sechs Millionen Bäume zur Wasserfestigung sollen gepflanzt werden — Auskommen, wenn es gelingt, vielleicht noch für eine Viertelmillion Menschen.

Der Rest weicht mit der Verlagerung der Wüstengrenze zurück, also zunächst in Richtung Süden. Doch irgendwann ist da die Grenze: Den Weg darüber hinaus verwehren jedoch die Nachbarn, die ihrerseits schon genug Probleme haben. Und im Norden, im Maghreb, sind Zentralafrikaner ebenso unwillkommen wie die Nomaden. „Bleibt für meine Enkel“, sagt Cheibany, „nur noch der Weg nach Europa.“

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