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Sozialbehörde verprellt VermieterInnen

■ Über 20 Hausbesitzer liefen zum freien Markt über / Bürokratismus, Kompetenzgerangel

Am 17. Mai stand es fast schon steinerweichend in der Zeitung: Sozialsenatorin Sabine Uhl appellierte „an alle Vermieter“, der Stadt doch Wohnraum für sozial Benachteiligte zu überlassen. Zig Bremer VermieterInnen hatten ein Einsehen, boten ihre Objekte der Sozialbehörde an. Aber ein beträchtlicher Teil von ihnen wurde die Wohnungen bei den BürokratInnen nicht los. An mindestens vier Barrieren drohte und droht das Scheitern.

1. Sozialbehörde

Zum Beispiel Gerhard S. (Name von der Red. geändert). Er hatte ein einstöckiges Haus in der Kornstraße bezugsfertig renoviert. Die 100 Quadratmeter Wohnfläche bot er der Sozialbehörde im April an. Als Monatsmiete wurden 1.300 Mark ausgehandelt. Eine Mitarbeiterin der Sozialbehörde besichtigte das Haus, zwei Asylbewerber-Familien ebenfalls. Schließlich, Anfang Juni, bekam der Eigentümer ablehnende Post von Erhard Heintze, dem Ausländerreferenten der Sozialsenatorin: „Seitens der Wohnungshilfe hat das angebotene Objekt letztendlich kein Interesse gefunden, weil insbesondere die Räume im Untergeschoß eine Vollkachelung aufwiesen.“ Die Sprecherin der Sozialbehörde, Andrea Frenzel- Heiduk: „Die Asylbewerber, die die Wohnung gesehen haben, sagten, das vollgekachelte Untergeschoß erinnere sie an ein Leichenschauhaus oder an einen Folterkeller.“

Gerhard S. fand das Argument mit den Kacheln „an den Haaren herbeigezogen“, besann sich eines Besseren und vermietete das kleine Haus zum 15. Juni an die evangelische Kirche. Eine Hortgruppe zog ein und fühlt sich seitdem sehr wohl. Zwei Stimmen stellvertretend für 18 NutzerInnen: Tina (9): „Hier kann man gut spielen.“ Katrin Schulze (23), Berufspaktikantin: „Es ist gemütlich hier und die Kinder können sich gut verteilen.“ Der Aufenthaltsbereich der Kinder ist im Erdgeschoß. Im Souterrain, dessen Boden gefliest ist, sind Küche, Sanitär-Räume, ein kleines „Tobe-und Kuschelzimmer“ sowie eine klitzekleine Abstellkammer mit dem Tischfußball. Die Kammer ist der einzige „vollgekachelte“ Raum.

Warum lehnte die Behörde das Angebot ab, während sie gleichzeitig an das soziale Gewissen der Eigentümer appellierte? Die Behördensprecherin dazu: Bremen habe zum damaligen Zeitpunkt verfassungswidrig nur 300 Asylbewerber aufgenommen. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt für Asylbewerber sei deshalb entspannter gewesen als derzeit und die Sozialbehörde wählerischer. Gerhard S. hat einen Anwalt gebeten zu prüfen, ob er eine rechtliche Handhabe gegen die Behörde hat.

2. Ortsbeiräte

Doch ist S. längst nicht der einzige Eigentümer, der von der Behörde verprellt wurde. Auf dem von vier Barrieren gesperrten Weg war er bereits an der ersten gescheitert: Eine VermieterIn, an der die Sozialbehörde Interesse zeigt, muß zweitens das Okay des zuständigen Ortsbeirats erlangen. Und dies wird in einem Stadtteil wie der Neustadt, in der S. das Haus erworben hatte, immer schwieriger. Der Stadtteilbeirat hat die Sozialbehörde bereits aufgefordert, zunächst andere, „weniger mit Asylbewerbern belastete“, Stadtteile zu belegen. Danach stünde die Neustadt erst wieder zur Verfügung.

3. „Bremische“

Diejenigen VermieterInnen, denen die Ortsämter keine Steine in den Weg legen, werden drittens an die Bremische Gesellschaft, eine stadteigene Wohnungsbaugesellschaft, weiterverwiesen. Diese prüft, ob das Objekt geeignet ist, angemietet zu werden. Aufgrund eines „negativen Kompetenzgerangels“, so Ulrich Freuthal (Leiter der Wohnungsverwaltung bei der „Bremischen“), seien 1991 die Angebote der VermieterInnen „für ein paar Wochen länger liegen geblieben“. Denn zur Jahresmitte hätte die Bremische „für Asylbewerber keinen Auftrag“ von der Sozialbehörde gehabt. Dieser Auftrag sei inzwischen erteilt.

4. Bauordnungsamt

Seit der Brandkatatstrophe in dem Übergangswohnheim Steinsetzerstraße müssen alle angebotenen Objekte zudem brandschutztechnisch überprüft werden. Ulrich Freuthal von der „Bremischen“: „Da hapert es im Moment. Das Bauordnungsamt tut sich etwas schwer.“ Er schätzt, daß allein aufgrund des „negativen Kompetenzgerangels“ mit der Sozialbehörde und aufgrund der Schwierigkeiten des Bauordnungsamtes „mehr als zwanzig Eigentümer“ abgewinkt hätten: „Die haben auf dem freien Markt angeboten.“ Eigentümer wie Rolf S. sind dabei nicht mitgezählt. Barbara Debus

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