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Stasi-Pfarrer will eine Denkpause

■ Nach dreimonatiger U-Haft angeworben/ Siebtes Opfer-und-Täter-Gespräch im Mauermuseum

Berlin. Der evangelische Pfarer Constantin Stanescu war in der Jenaer Friedensbewegung der Vorwendezeit ein bekannter Mann. Kein Treffen ließ er aus, der Mann war engagiert und gleichzeitg als Theologe ein Vertrauter für viele. Aber Stanescu führte ein Doppelleben. Nach einer dreimonatigen Untersuchungshaft gelang es der Stasi 1969, den Unbotmäßigen als IMB — »Informeller Mitarbeiter mit Feindberührung« — anzuwerben. Unter dem Decknamen Bartolomeus Runge horchte er fortan die Friedens- und Jugendgruppen aus. Sein Führungsoffizier war mit dem Christen zufrieden. Die ausführlichen Berichte, einschließlich Namensnennungen, liefen bis zur Wende pünktlich bei der Stasi ein.

Am Dienstag abend traute er sich erstmals in das Museum am Checkpoint Charlie. Hier fand auf Initiative von Rainer Hildebrandt das siebte sogenannte »Opfer-und-Täter-Gespräch« statt.

Stanescu, alias Bartolomeus Runge war einer der sieben ehemaligen IMs, die bereit waren, öffentlich nachzudenken und sich den Fragen der einstigen Opfer zu stellen. »Mir wäre es viel lieber«, bekannte er, »die Sache wäre juristisch zu klären.« Die moralische Aufarbeitung sei viel schwieriger. Persönlich hat der Pfarrer Konsequenzen gezogen. In diesem Frühjahr reichte er bei der Synode die Bitte um Entlassung ein. »Ich kann nicht von der Kanzel über Schuld sprechen und selber eine tragen«, sagte er, »ich brauche eine Denkpause.«

Ein Saulus, der zum Paulus wurde? Nicht unbedingt. Denn die Grenzen zwischen Täter und Opfer seien verwischt gewesen. Für die Friedensbewegung habe er gearbeitet, nicht weil es die Stasi so befahl, sondern weil sie ihm am Herzen lag, sagte Constantin Stanescu. Er sei der »Stasimasche« — arbeite mit, um die Friedensbewegung vor Kollaborateuren zu schützen — aufgesessen. Günter Schachtschneider, ehemaliger Hauptmann der Staatssicherheit und Führungsoffizier für mindestens 45 IMs im Berliner Gesundheitswesen bestätigt diesen psychologischen Druck. »Wir haben uns als Beschützer dargestellt«, sagt er, die »die Gesellschaft von negativen Einflüssen frei halten wollen.« Bevor ein »wirklicher Schweinehund dich denunziert«, sei Renitenten gesagt worden, »arbeite mit«. Dem Druck, daß die Stasi alles herausfände, habe kaum einer widerstehen können. Man sei sehr erfolgreich gewesen, »ein Phänomen zu benutzen, daß man selber produziert habe«. Deshalb sei die Stasi auch kein Geheimdienst gewesen, sondern eine Gesellschaft an sich. Noch ist unklar, ob diese Opfer- und-Täter-Gespräche weiterlaufen werden. Betroffene wollen die öffentliche Auseinandersetzung in Arbeitsgruppen verlegen, um die Mechanismen von Repression und Widerstand detaillierter herauszufinden. Anita Kugler

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