: Die Russen rollen Polens Märkte auf
Besonders beliebt sind Geschäfte mit Polens Kommunisten/ Gegen viele Firmen wird ermittelt ■ Aus Opole Klaus Bachmann
Wer auf dem täglich stattfindenden Flohmarkt von Opole einkaufen möchte, sollte zumindest die wichtigsten Redewendungen auf Russisch beherrschen. Von den Händlern, die dort in zeltähnlichen Buden ihre Waren anbieten, kommt gut die Hälfte aus Rußland, der Ukraine und Litauen.
Billiges Kinderspielzeug, Werkzeuge, Schmuck und Haushaltsgeräte werden angeboten, zu Preisen weit unter dem polnischen Niveau. Die Waren sind meist geschmuggelt; doch sind sie erstmal in dem 500 Kilometer von der Grenze entfernten Opole angelangt, läßt sich das kaum noch nachweisen.
Wie in den meisten polnischen Städten, so kam auch die Stadtverwaltung in Opole zu dem Schluß, dem wilden, steuer- und zollfreien Handel der fliegenden Händler Einhalt zu gebieten. Sehr gelegen kam da das Angebot zweier Polen und einer Moskauer Kooperativenvereinigung, auf dem ironisch „Balcerowicz-Platz“ genannten Flohmarkt eine Bank errichten zu wollen. Das Joint-venture erhielt einen Pachtvertrag für das Gelände. Anderthalb Jahre nach Abschluß muß sie mit dem Bau beginnen, stehen muß die Bank nach dreieinhalb Jahren. Doch geändert hat sich auf dem Marktflecken bis heute nichts: Es wird weiter gehandelt — nur die Stellgebühren kassiert jetzt die sowjetische Firma. Und das Unternehmen, das eigentlich Verpackungsmaterial herstellen sollte und dafür für vier Jahre von der Gewinnsteuer befreit wurde, handelt kräftig mit.
In der Stadtverwaltung vermutet man, die Firma wolle nur Standgebühren abkassieren und den Bankenbau später weiter vergeben. Die Moskauer Kooperativen haben inzwischen ihre Anteile weiterverkauft. Opoles Bürgermeister hat indessen Probleme, seinen Bürgern zu erklären, weshalb sich die Stadt so über den Tisch ziehen ließ.
Opole ist kein Einzelfall. Seit Polen sich wirtschaftlich geöffnet hat und der Markt in der UdSSR zusehends zusammenbricht, machen sich immer mehr sowjetische Geschäftsleute auf den Weg ins Nachbarland. Seit 1989 haben sich sowjetische Investitionen in Polen jährlich vervierfacht. 1989 gab es gerade zehn Joint- ventures mit einem Kapital von 633.000 Dollar. Ein Jahr später waren es bereits 32, heute sind es 132 mit über acht Millionen Dollar.
Sowjetisches Kapital investiert aber nicht nur im Handel oder im Lebensmittelbereich, sondern auch in den Bau von Flugzeugen, Computern und elektronischen Bauteilen. Nicht immer treten die östlichen Kapitalisten dabei offen auf: In Gdansk wurde ein Joint-venture gegründet, das Elektronikelemente herstellen soll. Der ausländische Partner stammt aus Singapur, doch geführt wird die Firma von zwei Russen.
Besonders gern machen Investoren aus dem Osten Geschäfte mit Polens Kommunisten. In vielen der Firmen, die von der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) vor ihrem Ableben gegründet wurden, finden sich sowjetische Kapitalgeber. Zahlreiche der ebenfalls von der PVAP organisierten Touristikagenturen haben sich auf Ost-Reisen spezialisiert, die von den Touristen zum Handeln genutzt werden. Eine Lubliner PVAP-Firma mit dem vielsagenden Namen „Chance GmbH“ sorgte nicht nur für Handelsreisen, sondern bot den Reisenden gleich die Möglichkeit zum Verkauf ihrer Waren — die Firma organisierte die Flohmärkte gleich selbst.
Solch dubiose Connections gibt es inzwischen überall im Land. In Lublin wurde von der PVAP auch die inzwischen verstaatlichte „Wirtschaftspromotionsgesellschaft mbH“ gegründet, an der die polnisch-sowjetische Handelskammer Anteile von fünf Millionen Zloty hielt. Als Polens Sozialdemokraten die Firma übernahmen, stieg die Handelskammer aus. Zusammen mit anderen polnischen und sowjetischen Firmen, einige davon aus dem PVAP-Umfeld, wollen nun in Biala Podlaska an der ukrainischen Grenze eine Bank gründen.
Russische Geschäftsleute seien häufig noch umtriebiger und dynamischer als ihre polnischen Partner, befand Polens Ex-Bautenminister Paszynski bei der Gründung der polnisch-russischen Handelskammer. Davon können nicht nur die Opoler ein Lied singen. Auch als Polen 1990 zur Exportförderung einen subventionierten Rubelkurs einführte und aufgrund einer Gesetzeslücke eine Exportflut in die UdSSR einsetzte, waren sowjetische Betriebe gleich dabei.
Der günstige Kurs wurde rigoros ausgenutzt. Der Exportboom lief über zahlreiche Moskauer Joint-ventures und sowjetische Betriebe und bescherte Polen ein Zahlungsbilanzdefizit von 1,5 Milliarden Rubel — und einigen der Exporteure staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren. Einige RGW-Betriebe wie die Warschauer „Interatominstrument“ kassierten so Millionen von Transferrubel ab. Mit von der Partie waren einige jener nicht gerade vertrauenswürdigen Firmen, die nun die Bank in Biala Podlaska aufziehen wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen