: Optimistische Überschätzung der Kriminalitätspolitik
■ Betr.: „Bremen — Schlaraffenland für Straftäter? „ — taz-Bremen vom 14.12.91
Kriminalität ist ein Politikum, selbst wenn die Ängste des Einzelnen manchmal weit über die tatsächliche Gefährdung hinausreichen. Aber es gehört nun einmal zu den demokratischen Regeln, daß Politikgestaltung nur übernehmen kann, wer in der Kriminalitätsbekämpfung zu überzeugen weiß.
Wohin wir sehen, wächst das Bewußtsein für die weltweiten Herausforderungen, während wir kaum Ansätze finden für die Lösung alltäglicher Probleme.
Der Rahmen der Landespolitik ist einerweise zu klein, um mit den Problemen der Jugend-, Drogen, und Rotlicht-Milieu-Kriminalität fertig zu werden. Gleichwohl ist der Landespolitische Radius ein recht übersichtliches Feld, um sich mit der Tatsache auseinanderzusetzen, daß bloße Statutenzwänge in der Lebenspraxis oft nicht greifen.
Indessen: Glaubwürdigkeit wächst mit Nähe. Manchmal ist der ehrliche Umgang miteinander wichtiger als das Finden von Lösungen. Alles andere wäre eine optische Überschätzung dessen, was Politik zu leisten imstande ist.
In diesem Sinne gilt es, den desorientierten Mangel an personalen und sachlichen Bindungen (also das Fehlen von Freunden und Interessen) durch Übernahme von Verantwortung zu bewältigen.
Gesamtgesellschaftlich müssen wir anfangen zu lernen, welche Vorurteile, Einstellungen und Ausgrenzungen die kriminelle Dynastie in Gang zu setzen. Politisch deuten die Handlungsaufforderungen darauf, Bildungs- und Arbeitsmarktchancen zu vermitteln. Flankiert werden muß dieser Prozeß mit Möglichkeiten, den notwendigen Einfluß auf die Politikgestaltung ausüben zu können (Bürgerbeteiligung an Planungsverfahren, Wahlrecht für EinwanderInnen), um Chancengleichheit zu verwirklichen.
Darauf zu hoffen, bürgerliches und kriminelles Milieu gleichen sich irgendwann aus, darf nach allgemeiner Erfahrung als naiv betrachtet werden. Um Vorbild — auch für sich selbst — zu sein, genügen keine guten Absichten. Bescheidenheit im Sinne der Frage „Was braucht der Mensch eigentlich?“ ist nötig. So viel und so wenig sie zunächst einmal scheinen mag.
Andre Beßler, Bremen
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