Ein Fels in der Brandung

13. Kongreß der spanischen Kommunisten entschied sich gegen Auflösung der Partei  ■ Aus Madrid Antje Bauer

„Zum ersten Mal haben wir keine ausländischen Delegationen eingeladen.“ Die Stimme der Mittfünfzigerin in dem menschenleeren Presseraum klingt traurig. „Man hätte ja auch gar nicht gewußt, wen man einladen soll...“ Angesichts des endgültigen Zusammenbruchs selbst der Mutterpartei in der Sowjetunion wurde die spanische Kommunistische Partei PCE, deren 13. Kongreß am Wochenende im Madrider Kongreßpalast stattfand, zum Fels in der Brandung. Zu achtzig Prozent stimmten die Delegierten gegen die seit zwei Jahren diskutierte Auflösung der Partei und bestimmten die Internationale zu ihrer Hymne.

Abgeschlagen wurden damit die „Erneuerer“ der Partei, die den PCE in eine Strömung der Linkskoalition Izquierda Unida (IU) umwandeln und diese statt dessen zur Partei erklären wollten. Die von den Kommunisten gegründete Izquierda Unida ist bislang eine Koalition, in der neben den Kommunisten Linkssozialisten, Republikanische Linke und Einzelpersonen Platz haben. Nach dem Willen des PCE soll aus der Koalition eine Parteienföderation werden, deren Mitglieder ideologisch autonom sind, jedoch für Wahlen auf gemeinsamen Listen von IU kandidieren. Durch den Erhalt der Parteien soll eine ideologische Verwässerung verhindert werden. Diese Position vertritt vor allem der PCE-Generalsekretär Julio Anguita, der gegenüber den regierenden Sozialisten einen Konfrontationskurs einnimmt.

Das Beharren auf der Existenz der traditionsreichen Partei wurde von den Vertretern der Mehrheitsfraktion mit dem Verweis darauf begründet, daß der PCE immerhin 1968 den Einmarsch in die Tschechoslowakei und später die Invasion in Afghanistan kritisiert und somit nicht die Fehler der sowjethörigen Bruderparteien begangen habe. Seit Jahren dient dieser historische Verweis auch dazu, die eigenen Leichen nicht aus dem Keller zu holen. Wenn die Redner am Pult die schwere eigene Geschichte beschworen, klatschten die älteren Delegierten begeistert Beifall. Scheinbar unangefochten von Zweifeln und unbeeindruckt von den Geschehnissen in Osteuropa, hielt hier die Arbeiterklasse an der Erinnerung an die Jahre der Illegalität und Verfolgung fest.

Mit Dissens in den eigenen Reihen taten sich die Genossen auch jetzt noch schwer. „Hier ist die Demokratitis ausgebrochen“, schimpfte ein Abgeordneter, da zum ersten Mal eine zweite Kandidatenliste für die Wahlen zum „Koordinationskomitee“, dem bisherigen ZK, zugelassen worden war und die Wähler zudem die Reihenfolge der Kandidaten selbst bestimmten konnten. Die Kandidaten der rivalisierenden Liste, Vertreter der „Erneuerer“, stehen nicht nur im Verdacht, den PCE auflösen zu wollen, um ihrer Vergangenheit zu entsagen, sondern auch, sich langsam dem „gemeinsamen Haus“ mit der Sozialistischen Partei anzunähern. „Sie wollen einen koffeinfreien Sozialismus einführen“, argwöhnte ein PCE-Leitungsmitglied gegenüber der taz, „und darüber hinaus die Gewerkschaften Comisiones Obreras auf einen seichten Kurs führen.“

Einer, der tatsächlich die Annäherung an die Sozialisten gefördert hat, der Europaabgeordnete Fernando Perez Royo, zog am Samstag die Konsequenz aus der Entscheidung des Kongresses und gab seinen Austritt aus dem PCE bekannt. In Zukunft will er als Unabhängiger in Izquierda Unida weiterarbeiten. „Die kommunistische Realität ist untergegangen“, kommentierte Perez Royo gegenüber 'El Pais‘, „und ich bin nicht bereit, mich an einer Neugründung der Kommunistischen Partei zu beteiligen.“ Dem Europaabgeordneten werden sicher weitere folgen.

Den übrigen Dissidenten ist es mit Hilfe der „Demokratitis“ immerhin gelungen, 10 der insgesamt 40 Sitze der Parteiführung zu erringen und somit dafür zu sorgen, daß ihre Forderungen in Zukunft Gehör finden. Der bisherige Generalsekretär Julio Anguita wurde in seinem Amt bestätigt und wird in den nächsten Wochen die Verhandlungen mit den kleineren Partnern in Izquierda Unida über die Frage aufnehmen, welche Form die Linkskoalition annehmen soll.