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YANG LIAN

Yang Lian war zu Beginn der Kulturrevolution elf Jahre alt. 1974 wird er, wie damals üblich, „zur Umerziehung durch Arbeit“ aufs Land geschickt; nach seiner Rückkehr 1977 arbeitete er im Rundfunk in Peking als Programmgestalter. 1979 nahm er am Pekinger Frühling teil und wurde Mitglied des halboffiziellen literarischen Zirkels „Iintian“ (Heute), in dessen gleichnamiger Zeitschrift auch seine ersten Gedichte erschienen. Von der offiziellen Kritik den sogenannten „Obskurantisten“ zugerechnet, wird er in der Kampagne gegen die „geistige Verschmutzung“ 1983/84 heftig kritisiert. Anfang 1988 gründet er mit Mang Ke die literarische Gesellschaft „Die Überlebenden“ und gibt eine Zeitschrift gleichen Namens heraus. Als im Juni 1989 mit dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens die Demokratiebewegung zerschlagen wird, befindet sich Yang auf einer Vortragsreise in Neuseeland. Er ruft dort eine chinesische demokratische Bewegung ins Leben. Daraufhin werden alle seine Schriften in China verboten. „Der Weg von der Sprache ins Gefängnis hat in China Tradition“ — so kommentiert Yang den gegen ihn erhobenen Vorwurf der „konter-

revolutionären Tätigkeit“.

Heute gilt Yang Lian neben Bei Dao und Gu Cheng als der bedeutendste chinesische Dichter seiner Generation. Seine Lyrik ist tief geprägt von der Auseinandersetzung mit der eigenen Tradition: „Viele Zeitalter drängen sich um mich herum, packen einen Menschen, der den Decknamen Yang Lian trägt“, schreibt er in dem Nachwort zu seinem Gedichtband „Pilgerfahrt“. Dieser Band versammelt seine frühen Gedichtzyklen, lange Gedichte, die auf ausgedehnten Reisen in den „Wilden Westen“ seines Landes — Xingjang — und nach Tibet entstanden sind. In verschlüsselter — „obskurer“ —, bilderreicher und pathetischer Sprache zog er in diesen Zyklen eine verstörende Bilanz der letzten dreißig Jahre der chinesischen Geschichte und der Verheerungen der Kulturrevolution. Von Anfang an war in seinen Gedichten aber auch eine individuelle Dimension, die als persönliche Gefühlswelt in seinen Gedichten nach und nach immer größeren Raum einnahm. Er selbst sagte von seiner Lyrik: „Das Gedicht gleicht einem konkreten Objekt voller Widersprüche, das nicht als Lehrmaterial für eine ideale Erziehung benutzt werden kann. Das allein reicht schon aus, jene zu verwirren, die an einspurige Denkmuster gewohnt sind.“

In diesen Tagen kehrt Yang Lian nach einem einjährigen Gastaufenthalt in Berlin zurück in das neuseeländische Exil. Er hat an vielen deutschen Universitäten gelesen, Begegnungen zwischen chinesischen und deutschen Autoren gestiftet und neue kurze, eindringliche Gedichte geschrieben, angeregt durch die Konfrontation mit einer anderen Tradition und durch andere Wahrnehmungen. In seinen 1991 geschriebenen „Geisterreden“ macht er sich Gedanken über das Exil: „Über jede Stufe dieses Hauses könntest du einen Aufsatz schreiben: über die beiden Stockwerke dann ein großartiges Epos über das Exil, in dem die ganze Menschheit sich befindet: nur mit dir, mit dir hätte all das nichts mehr zu tun.“ Joachim Sartorius

Einzelne Gedichte und Essays in verschiedenen Zeitschriften, zuletzt „die horen“, Nr.155, „das neue China“ Nr. 2/1991, „Jahrbuch der Lyrik“ 1990/91 und „Die Zeit“ Nr. 38/91. Eine Gedichtsammlung „Pilgerfahrt“, herausgegeben und eingeleitet von Karl-Heinz Pohl, erschien 1986 in der Innsbrucker Handpresse. Der Ammann Verlag bereitet einen Lyrikband vor, der 1992 erscheinen soll. In englischer Übersetzung liegen vor: „In Symmetry with Death“ (1988), „Masks&Crocodile“ (1990) und „The Dead in Exile“ (1990).

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