: Blauhelme in Kroatien
■ UNO-Unterhändler Vance will "Schutzzonen" einrichten
Blauhelme in Kroatien UNO-Unterhändler Vance will „Schutzzonen“ einrichten
Nach all den gescheiterten Versuchen der Europäischen Gemeinschaft, in Jugoslawien einen Waffenstillsand zu erreichen, hat der jetzt von UNO-Unterhändler Cyrus Vance vorgelegte Plan tatsächlich Aussichten auf Verwirklichung. Denn jetzt haben die drei wichtigsten Kräfte des Bürgerkrieges — die kroatische und die serbische Regierung sowie die Bundesarmee — dem Plan zugestimmt, Schutzzonen in den umkämpften Gebieten zu erreichten, die von UN-Truppen gesichert werden sollen.
Noch ist es fraglich, ob sich die Kriegsparteien auf Grenzen dieser UNO-Schutzzonen einigen können. Zwar dürfte die Grenze in den von Serbien eroberten Gebieten Ostslawoniens, wo Vukovar und Osijek liegen, mit der Frontlinie übereinstimmen. Auch bei der Krajina, dem in Dalmatien liegenden Gebiet, sind die Grenzen relativ klar umrissen, und dort ist eine Einigung vorstellbar. In Westslawonien und anderen Gebieten jedoch könnte schon diese Frage zu Auseinandersetzungen führen, die den mühsam gebastelten Kompromiß platzen lassen. Unklar bleibt auch weiterhin, ob die Bundesarmee noch in der Lage ist, die serbischen Freischärlerverbände, die Tschetniks und andere bewaffneten Banden zu entwaffnen, die in Mittelkroatien aktiv sind. Denn gerade hier ist die Initiative dem Oberkommando zeitweise und örtlich entglitten.
Kroatien blieb nichts anderes übrig, als dem Vance-Vorschlag zuzustimmen, obwohl nun die UN-Truppen Serbien bei der Sicherung der eroberten Gebiete helfen. Immerhin ist es gelungen, der Bundesarmeeführung die Absichtserklärung abzuringen, aus den besetzten Gebieten abzurücken. Und der Plan verspricht die Rückkehr der kroatischen Flüchtlinge in die umstrittenen Gebiete.
Der serbische Präsident Milosevic hat sich gerade in den letzten Wochen nicht nur der heftigen Kritik der serbischen Friedensbewegung ausgesetzt gesehen, sondern vor allem auch einem Sinneswandel bei den wichtigen Oppositionsparteien. Schon im Oktober hat Vuk Draskovic, der wichtigste Oppositionsführer, den Krieg kritisiert. Und mit der prinzipiellen Ablehnung der Milosevic-Politik durch die Demokratische Partei wurde dieser Ablehnungsbewegung eine seriöse Grundlage gegeben.
Die zugrunde gelegte Idee des UNO-Plans, nach einer gewissen Zeit Volksabstimmungen in den von Serbien besetzten Regionen Kroatiens durchzuführen, hätte noch vor wenigen Monaten den Interessen beider Seiten entsprochen. Daß heute vor allem die serbische Seite diese Idee betont, entbehrt nicht jeglicher demagogischer Absicht. Die jetzt militärisch gewonnenen Gebiete sollen auch in Zukunft für Serbien gehalten werden. Denn nach all dem Leiden, dem vor allem die kroatische Bevölkerung ausgesetzt war, ist anzunehmen, daß nicht alle Flüchtlinge in ihre zerstörten Heimatdörfer zurückkehren wollen. Wer von seinen einstigen Bewohnern wird noch den Anblick des zerstörten Vukovar ertragen können? Genau darauf spekulieren die serbischen Nationalisten.
Wenn der Plan von Vance realisiert werden soll, sind die Vereinten Nationen und die EG gehalten, diesmal Blauäugigkeit zu vermeiden. Die von der UNO anvisierten Demarkationslinien dürfen keinesfalls zu einem Dauerzustand werden und damit den zukünftigen kroatisch-serbischen Grenzverlauf präjudizieren. Daß die von einer großen serbischen Mehrheit bewohnte Krajina jemals wieder kroatisch würde, ist zwar schon heute unwahrscheinlich. Doch in Slawonien und der mittelkroatischen Banjia darf es keine Frage über die künftigen Grenzen geben. Hier verdient Kroatien die Unterstützung der Weltöffentlichkeit. Erich Rathfelder
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