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INTERVIEWDie FMLN ist für die Legalität gerüstet

■ Ein FMLN-Kommandant, der sich Ricardo Ruiz nennt, über die Rahmenbedingungen für eine künftige politische Arbeit der Befreiungsbewegung in einem befriedeten El Salvador

taz: Wird die Befreiungsfront Farabundo Marti eine Einheitspartei gründen, bleibt sie als Front bestehen, oder wird sie in einer breiten Massenpartei aufgehen?

Ricardo Ruiz: Es gibt Bemühungen mehrerer sozialer Gruppen, eine neue Partei zu gründen, für die es bisher keine ausreichenden Freiräume gegeben hat. Die Organisatoren wollen auch den Eintritt von FMLN-Aktivisten nicht ausschließen. Doch die Form der Einheitsfront aus fünf Parteien hat sich bewährt.

Nach dem bewaffneten Kampf wird jetzt der ideologische mit voller Heftigkeit toben. Wie stellt ihr euch die Medienarbeit vor. Habt ihr genügend Leute und Geld, um mit dem Propagandaapparat der Rechten mithalten zu können? Schließlich werden die Medien von der Oligarchie beherrscht...

Das wichtigste ist die Pressefreiheit, und die führt über die Demokratisierung der Eigentumsverhältnisse an den Medien. Fernsehen ist teuer, und die Konkurrenz ist groß. Es geht aber nicht vorrangig darum, daß wir unseren eigenen Kanal bekommen, sondern daß man uns Zugang zu den Medien gewährt.

Man muß doch damit rechnen, daß die reichen Familien ein Medium, das der FMLN Gelegenheit zur Selbstdarstellung gibt, mit Anzeigenboykott bestrafen werden.

Das wäre Sabotage des Demokratisierungsprozesses. Wenn gewisse Leute glauben, daß Demokratie mit der Austrocknung der Linken hergestellt werden kann, dann täuschen sie sich. Gerade jetzt werden die Banken privatisiert und deren Aktien zum Verkauf angeboten. Mit den Medien sollte dasselbe geschehen.

Wie bereitet sich die FMLN auf ihre Beteiligung an der künftigen Zivilpolizei vor?

Es gibt Angebote von Regierungen, so der uruguayischen, unsere Leute zu schulen. Diese Kurse können beginnen, sobald die Verhandlungen abgeschlossen sind.

Besteht nicht die Gefahr, daß die Großgrundbesitzer einer solchen Polizei mißtrauen und aus arbeitslosen Soldaten paramilitärische Banden für ihren Schutz schaffen?

Es gibt mehrere Herausforderungen für die neue Polizei: dazu gehört das Ansteigen der Kriminalität und das Problem der Todesschwadronen. Aber es ist nicht einzig Aufgabe der Zivilpolizei, solche Versuche zu unterbinden; auch andere staatliche Institutionen und die Gesellschaft müssen dazu beitragen.

Als sich in Kolumbien die „Union Patriotica“ als legaler Arm der kommunistischen Guerilla formierte, wurden Tausende von Aktivisten ermordet. Muß die FMLN nicht mit ähnlichen Attentaten rechnen?

Wir vertrauen darauf, daß derartige Sabotageakte durch die gemeinsamen Anstrengungen neutralisiert werden. Wahrscheinlich plant die extreme Rechte einen schmutzigen Krieg nicht nur gegen die FMLN, sondern gegen alle, die sie als Gegner betrachtet. Deswegen muß der politische Kampf gegen die extreme Rechte zum zentralen Element der Auseinandersetzung werden. Eine zerstrittene Opposition wird diese Leute bestimmt ermutigen.

Nach dem Waffenstillstand ist damit zu rechnen, daß die Regierung und die USA über ihre Entwicklungsagentur AID in den von der FMLN kontrollierten Zonen mit großen Projekten einsteigen, um euch die Basis auszuspannen. Wie seid ihr darauf vorbereitet?

Soviel ich weiß, wird das Engagement der USA eher geringer werden. Ich glaube nicht, daß sie das Land mit Dollar überschwemmen werden. Und die Regierung muß akzeptieren, daß wir gewisse Gebiete kontrollieren. Alle Entwicklungspläne müssen daher mit den dort bestehenden Instanzen abgestimmt werden.

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