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Weltniveau oder Nachwuchstest?

■ Volleyball-Nationenturnier der Frauen begeistert / Russische 16-jährige erfolgreich

Hierhin den

bösen Kerl

Der Diktator: Nikolai Karpol,

russischer Trainer

Das Hauptproblem aller Journalisten beim Volleyball-Nationenturnier der Frauen ist in jedem Jahr das gleiche. Ist die Veranstaltung nun von hoher Qualität oder nicht? Denn den Berufskritikern sind offensichtlich Welt- und Europameistertitel Schall und Rauch, klingende Spielerinnen- Namen hingegen überhaupt nicht. Was sich auf dem Volleyballfeld abspielt, wird daran gemessen, wer gerade darauf steht. Ist die Bremer Veranstaltung also ein Nachwuchs-Turnier zum experimentieren oder das Top- Ereignis in der Bundesrepublik?

Die Wahrheit ist augenscheinlich. Kuba und die Russische Förderation sind mit ihren Bestbesetzungen angereist, haben aber natürlich auch junge Ersatzspielerinnen dabei, die langfristig in den Kader eingebunden werden sollen. Dazu sind Gegenerinnen aus der deutschen Bundesliga oder aus Rumänien und den Niederlanden gerade richtig. Wenn es also 16jährige russische Angreiferinnen vorgestern fertigbrachten, den niederländischen Vize-Europameister mit 3:1 abzufertigen, spricht die Qualität für sich. Und wenn sich die Vertretungen aus Deutschland und Rumänien fünf Sätze lang die Bälle um die Ohren hauen, bis am Ende das Gastgeber-Team mit dem denkbar knappsten Ergebnis von 17:16 die Nase vor hat, dann ist das Publikum begeistert.

Der Wert des Bremer Turnier hat unbestritten unter der Absage der Türkinnen gelitten, denn fünf Teams, von denen eins pro Tag zweimal antreten muß, sind zuwenig. Aber das tut dem sportlichen Spektakel keinen Abbruch.

Der neuformierten deutschen Vertretung bescheinigte nicht nur Bundestrainer Siegfried Köhler eine große kämpferische Leistung, die nach einem 0:2-Rückstand gegen die Rümäninnen das Ruder noch herumriß. Besonders der gelungene Einstand der Neu-Tübingerin Beate Bühler als Zuspielerin und die gute Blockarbeit der in Italien spielenden Ariane Radfan begeisterten die ZuschauerInnen immer wieder. Die zusammengewürfelte Formation zeigte große Spielfreude, und so war es schön anzusehen, wenn Brit Wiedemann oder Maike Friedrichsen ein ums andere Mal den gegnerischen Block mit wuchtigen Schmetterschlägen überwanden. Endstand: 3:2.

Im ersten Spiel gestern traf das deutsche Team auf die Niederlande. Schön war es gerade nicht, was beide Frauschaften boten. Im ersten Satz schien die deutsche Sechs noch im Mannschaftsbus zu sitzen, im zweiten führte sie zwar, aber verschlief den Satzgewinn. Daß sie nach dem 0:2 Rückstand noch ausgleichen konnten und sogar den Tie-break mit 15:10 gewannen, lag zu gleichen Teilen an einer leichten Leistungssteigeriung und der desolaten Vorstellung der niederländischen Ersatzspielerinnen. Bundestrainer Köhler war trotzdem zufrieden, seine „Neuformation“ hatte halt Abstimmungsschwierigkeiten. Zumindest bestehen nun nach dem 3:2 gute Chancen auf den dritten Platz.

Der Paradiesvogel des Turniers ist wie in jedem Jahr der russische Trainer Nikolai Karpol. Wenn seine cholerischen Brüllereien durch die Halle schallen, erntet er stets Pfiffe. Seinen autoritären Führungsstil empfindet er als ganz normal. Ein verbürgter Ausspruch Karpols lautet dann auch: „Soweit ich weiß, gibt es nur eine Diktatur in der Sowjetunion, die beendet ist, nämlich die des Proletariats.“ Mins Minssen

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