: DIE 5. GEWALT — WEGE DURCH DEN MEDIENDSCHUNGEL Von Ben Vart
Politische Schlampereien und Schlimmeres unternimmt man lieber im Süden oder Osten der Republik. Wer dagegen im Norden, in Hamburg gar, besonders tricky sein möchte, muß mit der kurzentschlossenen Antwort der bundesweiten Meinungsmacher der in der Elbstadt angesiedelten 'Zeit', 'Stern', NDR (Tagesthemen) und Spiegel rechnen. Henning Voscherau, der trotz seines Titels „Erster Bürgermeister“ im Senat der Hansestadt ohne Richtlinienkompetenz ist, ein Erster unter Ungleichen also, ist spätestens seit dem großkoalitionären Hamburger Diäten-Fiasko auch ein Fall von chronischer Politik-Verwirrung, und so darf der silberhaarige Rechtsverdreher und Notar außer Diensten heute in Augsteins Magazin einiges über sich lesen: „Politik sei für ihn ,wie eine Suppe ohne Salz‘, gestand der Sozialdemokrat, Sprößling einer Hamburger Schauspielerfamilie, in einem Fernsehinterview. Voscherau salzt gern reichlich.“ Wenn der Hamburger Provinzpolitiker, der sich zu Unrecht zu Höherem berufen fühlt, Staatstragendes absondert, dann wissen alle auch: Voscherau sülzt gern reichlich.
Supplements-Trilogie, letzter Teil: Nach dem 'Zeitmagazin‘ und der Fernsehbeilage 'rtv' liegt diesmal das Süddeutsche Zeitung Magazin auf dem Tisch. Nach Informativem über nette Omas, die fremden, kleinen Jungs Bonbons in der U-Bahn zustecken, sowie der Leidensgeschichte süddeutscher Autostauer („Der Osten macht mobil.“) erfahren wir Wichtiges über eines der letzten Abenteuer, welches diese Welt noch zu bieten hat: Essen.
„Seit 1976 weiß ich, daß es dekadente Delikatessen gibt, bei deren Genuß der kalte Atem des Todes über das Essen weht.“ Wolf Uecker, man ahnt es gleich, naschte beim Japaner am Kugelfisch. Einfachere Volksschichten kennen die Nähe von Speisung und gesundheitlicher Gefährdung noch länger. Preislich unerreichbar lagern halbwegs gesunde Nahrungsmittel in den Regalen von teuren Bioläden. Das Discounter- „Angebot der Woche“ dagegen oder die bundesdeutschen Untersuchungshäftlingen gern gereichten „Müller“-Joghurte mit unmittelbar bevorstehenden Verfallsdaten hatten schon immer etwas von Tod und Verwesung.
Für aufopfernde Redakteure und engagierte freie Mitarbeiter der tageszeitung war der letzte Samstag ein schwarzer, überholte doch die tagesgleiche Ausgabe der Bild die taz mühelos links. Deshalb besonders ärgerlich, weil es einen taz-typischen Bereich, hier: Frauen, betrifft. Auf Seite 6 der taz wurde da also kommentarlos eine 42zeilige 'dpa‘-Meldung abgedruckt: „Wird ein 17jähriges Mädchen entführt und mehrfach vergewaltigt, kann ein Schmerzensgeld von 40.000 Mark angemessen sein. Das hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) in Hamm in einem am Freitag bekanntgewordenen Urteil entschieden. Zwar lägen die Beträge in annähernd vergleichbaren Fällen bei allerhöchstens 30.000 Mark, meist sogar deutlich drunter...“, und so leiert es, bis zum Meldungsende „Schließlich sei sie bis zu dem Überfall Jungfrau gewesen.“, kalt und distanziert weiter. Das Groschenblatt dagegen brauchte nur wenige Zeilen, um die unmoralische deutsche Juristenlogik bloßzustellen: „In Kalifornien entschied ein Gericht in ähnlichem Fall auf drei Millionen Mark Schmerzensgeld, in Texas auf 30 Millionen Mark.“
Steinbach nachdenklich: Neben den Millionen Märkern braucht's auch ein paar sensiblere Momente.
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