Die Zwerchfell-Offensive

Ein Sender will nach oben: Sat.1 will anderen mit Witz die Show stehlen  ■ Von Achim Becker

Das verwegenste Lachen, den gefährlichsten Blick, die raumgreifendste Nase — in einem geballten Kraftakt präsentierte Sat.1 am Sonnabend mit drei neuen Sendungen das Profil des deutschen Fernsehhumors. Seine Helden waren ein Schnitt quer durch bekannte Gesichter. Den Auftakt gab am Nachmittag Dieter Hallervorden, besser bekannt unter seinem Künstler- Kürzel „Didi“. Klipp-Klapp — der Titel verrät es bereits — ist der „Clip-Club“ mit den „Dramen und Höhepunkten unserer Videoamateure“.

Dicht gefolgt wurde der Klipp- Klapp-Clip-Club von Mike Krügers witzigem Wortspiel Punkt, Punkt, Punkt. So ganz neu ist das nicht. Der NDR strahlte im vergangenen Jahr bereits einige Sendungen aus. Bei seinem Wechsel zu Sat.1 nahm der lustige Krüger Punkt, Punkt, Punkt einfach mit, und nun hofft Sat.1 die nötigen Punkte für die Einschaltquote zu machen.

In Jux&Dallerei lud Karl Dall ab 22 Uhr Gäste ins Hotel Maritim. Eventuelle Ähnlichkeiten mit einer Sendung, die Dall noch vor kurzem für RTL.plus machte, sind weder unbeabsichtigt noch unerwünscht. Gleiches gilt wohl auch für Klipp- Klapp. Alter Wein in neuen Schläuchen? Wird hier der Ideenlosigkeit der Po gepudert oder veredelt man zu voller Reife und Blüte?

In (zunächst) zwölf Folgen präsentiert Hallervorden Amateurvideos und ist dabei immer wieder für ein paar Späße gut. Wie die meisten komischen Vögel ist er dabei mal besser („Tag, Herr Haller.“ „Ich heiße Hallervorden.“ „Da seh'n Sie mal, wie schnell ich abschalten kann.“), mal Wiederholungstäter (wenn er schusselig in die Mausefallen faßt, die er sich gegen Diebe in die Taschen gesteckt hat). Oder es wird ganz übel: „Der Perserkater wollte die ostfriesische Deichkatze vernaschen. Die konnte gerade noch schreien: Ausländer raus.“ Mensch, Didi, was haben wir gelacht in Hoyerswerda.

Die Videos sind mitunter amüsant, und selbst Hartgesottene können sich eines verschmitzten Lächelns schwer erwehren. Da in Klipp-Klapp nicht nur Schnappschüsse sondern auch Bildwitz mit Konzept gefragt sind, kann die Plagiatsendung bald eigene Wege gehen.

In Mike Krügers Spielshow Punkt, Punkt, Punkt „kann keiner mit Bildung glänzen, es geht um Spaß ohne Tiefgang“. Sechs Prominente und zwei Kandidaten nehmen teil, wenn lustige Sätze durch Wortergänzung noch lustiger gemacht werden müssen. Das kann sich dann etwa so anhören: „Der bekannte Sat.1-Spaßvogel ist so witzig, daß sich sogar der Programm-Chef auf die ... klopft!“ Bei Sat.1 weiß man bereits: „Das dürfte die Spielshow im deutschen Fernsehen sein, in der mit Abstand am meisten gelacht wird.“ Erfahrungsgemäß vorwiegend von Mike Krüger, dessen Vollmondgesicht bei jedem gelungenen Gag fast aus den Nähten platzt.

Karl Dall ist natürlich wieder großartig. Seine Schlagfertigkeit trifft oft, und wenn er einem Gast das Wort abschneidet und sich einem anderen zuwendet, ist das nicht nervöse Unhöflichkeit wie bei Gottschalk oder Elstner, sondern Programm. Zum Abwinken reizen lediglich die immer wiederkehrenden Scherze über das Alter und das fehlende Haupthaar. Wie alle Talkmeister, lebt auch Dall von seinen Gesprächspartnern. Der einzige Unterschied zwischen Jux&Dallerei und Dall-As, bis vor kurzem für RTL.plus gewitzelt, besteht in der Weste des Gastgebers. Anstatt aus Leder ist sie nun aus Baumwolle, offensichtlich muß die Requisite sparen.

Der Mangel an Abgrenzung zu Dall-As ist dann auch das große Problem von Jux&Dallerei. Wo RTL.plus den Weg für schräge und freche Unterhaltung geebnet hat, kopiert Sat.1 nur, anstatt weiterzugehen. Was mit mehr Mut zu unterhaltsamer Groteske und Absurdität möglich wäre, klingt an, als sich die Altherren-Kader Dall, Minister Blüm und Udo Jürgens in Bierseligkeit um ein Klavier scharen.

Sat.1 hat sich viel vorgenommen. Das Wort „Bescheidenheit“ wurde von den Fahnen gestrichen, laut Programmchef Martin Kraml befindet man sich „auf dem Weg zum Unterhaltungssender Nummer 1“. Wo Tele.5 und mehr noch Pro.7 auf den Ankauf der US-amerikanischen Comedy-Serien bauen, setzt Sat.1 auf Eigenproduktionen.

Bei dieser Offensive wird Hallervorden übrigens in der ersten Reihe kämpfen: Neben Klipp-Klapp ist er 1992 mit zwei weiteren Humorserien aktiv. Das Sat.1-Engagement in allen Ehren. Aber wenn alte Ideen nur übernommen werden, wird das Lachen vom Gähnen verschluckt. Und selbst Schönheiten wie Hallervorden, Krüger und Dall sieht man sich irgendwann satt.