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Hilferuf aus Puschkin: Wir hungern

■ Die Menschen in der russischen Stadt Puschkin brauchen dringend Geld und Lebensmittel, um den Winter zu überstehen/ Neukölln als Partnerstadt will Transport der Lebensmittel organisieren

Neukölln. Mit einem dringenden Appell um Lebensmittel-, Geldspenden und wirtschaftliche Hilfe hat sich gestern der Bürgermeister der russischen Stadt Puschkin, Juri Nikiforov, an die Berliner Bevölkerung gewandt.

Auf einer Pressekonferenz im Rathaus Neukölln antwortete Nikiforov, der telefonisch zugeschaltet worden war, auf die Frage, ob Menschen in Puschkin in diesem Winter vom Hunger- oder Kältetod bedroht seien: »Das sind heute die Hauptprobleme.« Neukölln unterhält seit einem Jahr mit dem 150.000 Einwohner zählenden Puschkin (bei St. Petersburg) eine Städtepartnerschaft. Der Bezirk hatte bereits im Winter 1990/91 für Puschkin die Spendentrommel gerührt und dabei 120.000 Mark und 12.000 Lebensmittelpakete zusammengebracht. Im Gegensatz war der erneute Aufruf im vergangenen Dezember kaum auf Resonanz gestoßen. Als Grund vermutete der Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD), daß die »Aufbruchstimmung nicht mehr da« sei. Auch seien viele Menschen durch Berichte verunsichert, daß die Hilfsgüter nicht an ihrem Bestimmungsort ankämen.

Wie Nikiforov gestern am Telefon sagte, leiden vor allem die 4.000 Invaliden sowie 1.000 kinderreiche Familien, die am Rande des Existenzminimums lebten, aber auch 26.000 Rentner und 21.000 Kinder litten darunter, daß es kaum noch Lebensmittel zu kaufen gebe. Die wenigen Waren in den Geschäften seien zehn- bis fünfzehnmal so teuer wie vor zwei Jahren.

An die »Produktionsfirmen im Westen« wandte sich der Puschkiner Bürgermeister mit der Bitte, der am Boden liegenden »sowjetischen Wirtschaft« unter die Arme zu greifen. Vor allem Baumaterialien, landwirtschaftliche Geräte und Maschinen zur Verarbeitung von Milch- und Fleischprodukten würden dringend benötigt.

In Puschkins Großzüchtungsanlagen für Rinder und Schweine drohe eine Notschlachtung, weil es kaum noch Futter gibt. Er garantiere dafür, so Nikiforov, daß die Hilfsgüter mit »hundertprozentiger Sicherheit« an die Bevölkerung verteilt würden. Vertrauenswürdige Leute würden direkt zum Flughafen fahren, um die Ladung in Empfang zu nehmen. Selbiges versicherte auch der Neuköllner Bürgermeister Buschkowsky mit dem Hinweis, die Transporte würden von Mitarbeitern des Bezirksamts und ehrenamtlichen Helfern begleitet, unter denen sich auch acht handfeste Zimmermänner befänden, an die sich keiner so schnell herantraue.

Vom Berliner Senat war gestern keine Antwort auf die Frage zu erhalten, ob eine Winter-Hilfsaktion mit Moskau geplant sei. plu

Im Rathaus Neukölln in der Karl- Marx-Straße 83 können rund um die Uhr Pakete abgegeben werden. Die Liste der benötigten Nahrungsmittel, die unbedingt beachtet werden sollte, ist beim Pförtner erhältlich.

Außerdem wurde ein Spendenkonto »Puschkinhilfe« eingerichtet:

Berliner Bank, Konto-Nr.: 0837600001, BLZ 10020000, wovon gleichfalls Lebensmittel gekauft werden sollen.

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