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Internationale Sympathie für Fink

■ Eine internationale Delegation aus Wissenschaftlern, Politikern und Menschenrechtlern kritisiert die Kündigung des Humboldt-Rektors

Mitte. Die im vergangenen Jahr wegen Stasi-Verdacht ausgesprochene fristlose Kündigung des Humboldt- Rektors Heinrich Fink ist von einer internationalen Kommission scharf kritisiert worden. Die fünfköpfige Delegation, die sich zwei Tage lang auf Einladung des »Europäischen Bürgerforums« in Berlin aufhielt, zog am Dienstag abend in der Humboldt-Universität ein Fazit ihrer Gespräche. Sie hatte sich zuvor mit Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) sowie mit Joachim Gauck und dessen Stellvertreter Hansjörg Geiger getroffen.

Der Belgier Lode van Outrive, Mitglied des Europäischen Parlaments, erklärte, er sei nach Vorlage des Materials nicht davon überzeugt, daß Fink ein informeller Mitarbeiter der Stasi gewesen sei. Der Gauck- Behörde warf er vor, Fink vorschnell als Informellen Mitarbeiter bezeichnet zu haben. In dem Schreiben der Gauck-Behörde an Wissenschaftssenator Erhardt hätte es vielmehr heißen müssen, »daß in den Akten stand, daß Herr Fink ein Informeller Mitarbeiter war«. Zugleich kritisierte er, daß keine weiteren Quellen und Zeugen vor der Kündigung herangezogen worden seien. Zwar habe Erhardt nach dem Gesetz korrekt gehandelt, doch dürfe der Vorwurf der Stasi-Tätigkeit nicht allein aus den Akten rekonstruiert werden. Um die Stasi-Akten besser beurteilen zu können, sei eine Kritik der Quellen durch Historiker notwendig.

Der Bundestagsabgeordente Wolfgang Ullmann (Bündnis 90/ Grüne) warnte davor, in der Debatte um die Stasi-Akten zu vergessen, daß diese auf kriminelle Weise zustande gekommen seien. In drei Viertel der Akten stünden »Absurditäten«. Ullmann: »Wer hat das Recht, das zu interpretieren?« Das Recht ende dort, so Ullmann, wo der Daten- und Personenschutz beginne. Ausdrücklich nahm er die Integrität der Gauck-Behörde, die von einigen Delegationsmitgliedern in Zweifel gezogen wurde, in Schutz. Im Fall Fink seien die Proportionen verkehrt worden: »Fink muß sich rechtfertigen, während die Initiatoren dieses Systems Bücher schreiben, Verträge abschließen und Interviews geben.« Das Vorstandsmitglied der französischen Liga für Menschenrechte, Regine Dhoquois, zeigte sich »schockiert über die Präzision und Disziplin, mit der die deutschen Behörden heute die Vergangenheit bearbeiten«. »Spuren von Bismarck« erkannte der schwedische Rechtsanwalt Eric Göthe in dem Vorgehen gegen Fink. Die akademische Freiheit komme zu Schaden, wenn aus politischen Gründen entlassen werde. Der Schweizer Kaplan Cornelius Koch erklärte, auf ihn mache Gauck den »Eindruck eines Jägers, der oft mit Schrot schießt und dabei ziemlich ungenau« ziele. Die Gauck-Behörde bezeichnete er als »unkontrollierte Instanz«. Wissenschaftssenator Erhardt nannte den Besuch der Delegation eine »politische Stellungnahme, die sich das Mäntelchen der Rechtsstaatlichkeit umgehängt hat«. Sie sei mit einem »fertigen Votum« nach Berlin gereist. Einen Pressebericht, wonach Fink 1970 insgesamt 1.500 Mark von der Stasi erhalten haben soll, konnte der Sprecher der Gauck- Behörde, David Gill, zur Zeit nicht bestätigen. Severin Weiland

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