piwik no script img

Die Rückkehr der Hobbits im Radio

Zu Tolkiens 100. Geburtstag: Großproduktion „Der Herr der Ringe“  ■ Von Gaby Hartel

Abgesehen von den Körpermaßen war er nach eigener Einschätzung selbst ein kleiner Hobbit. Zudem gehört er jener Spezies „Überzeugungstäter“ in der Wissenschaftszentrale des britischen „Großhirns“ an, das seine scharfzüngige Zeitgenossin Virginia Woolf einmal zynisch „Oxbridge“ taufte. Allem voran aber bestand die Lebensleistung John Ronald Reuel Tolkiens darin, die Quelle seiner kindlichen Phantasie zu bewahren, eine ungebrochen naive Naturromantik, die ihm seine Mutter in Märchenstündchen und Spaziergängen durch die bizarre Landschaft der Western Marches nahelegte. Später dann packte er sein phantastisches Repertoire bloß noch aus, um seine Kreaturen mit dem Ernst eines fabulierenden Jungen auf Abenteuerreise durch „Mittelerde“ zu senden.

Die Triebfeder von Tolkiens Phantasie, deren Produkt Der Herr der Ringe zum Kultbuch nicht nur der „Flower-Power“-Generation erhoben wurde, lag tief im düsteren 19.Jahrhundert verwurzelt. In den Zeiten des viktorianischen Bewußtseins, das hinter jeder schiefen Wurzel schon irgendeinen „Spook“, eine Phantasiegestalt, erahnte...

Vermutlich ist das „Phänomen Tolkien“ so englisch wie der Fünf- Uhr-Tee. Im Land, das von natürlichen Exzentrikern wimmelt, im Erspinnen von „Wunderländern“ eine Tradition aufweist — hier konnte der „faulste Student“ und junge Privatgelehrte seine eigenen Wege ins Elfenland ziehen. In Preußen hätte man dem 1892 geborenen jungen Mann den „kindlichen Unfug mit der Feensprache“ schon ausgetrieben — jenseits des Kanals aber bastelte er an der Konstruktion der zauberhaft erfundenen Sprache und der dazu passenden mythischen Welt.

In dieses Gewirr von Höhlen und Gängen, ins glibberige Schlürfen des Monsters Gollum, das freundliche Chaos der Elfen, Zwerge, Hobbits und Menschen halten SWF und WDR nun in einer gigantischen Großproduktion zum 100. Geburtstag des Erfinders ihr Mikrofon. Ganze zwölfeinhalb Stunden lang ist die Hörspielreihe, die die Jagd nach dem streitbringenden Ring zum Schicksalsberg begleitet.

Die Abenteuer der kleinen Helden waren nicht nur als Mythos für England konzipiert, sondern dienten dem Autor als Bollwerk gegen seine „Feindbilder“ der modernen Gesellschaft: ein erster Phantasieroman als Großangriff gegen die geistige Verarmung durch zunehmende Bürokratie, (Verwertungs-)Journalismus und Mechanisierung der Welt.

Es ist bestimmt ganz im Sinne Tolkiens, seine phantastischen Hirngespinste nicht in festgelegten Filmbildern, sondern im Radio wiederzubeleben. Zumal in der sensiblen Hörspielfassung Peter Steinbachs, gelenkt von Bernd Laus Regie und ausgestattet mit so „potenten“ stimmlichen Verwandlungskünstlern wie Klaus Herm als Zauberer Bilbo, Manfred Steffen als Gandalf Rufus Beck als Sam, um nur einige zu nennen. Für die Konstruktion der akustischen Traumwelt waren die „Tonmeister“ Peter Zwetkoff (Komponist vieler preisgekrönter Hörspiel- und Filmmusiken) und Geräuschemacher Mel Kutbay zuständig.

Jeweils dienstags und donnerstags um 14.05 Uhr auf S2 (Wiederholung freitags, 23.00 bis 23.50 Uhr). Beim WDR1 fällt der Startschuß am 11.1. um 15.05 Uhr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen