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Der ANC feiert 80jähriges Bestehen

Die südafrikanische Befreiungsfront kurz vorm Ziel/ Vom Intellektuellenklub zur Massenbewegung  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

Achtzig Jahre nach seiner Gründung erwartet der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) nun erstmals eine Beteiligung an der Regierungsmacht in Südafrika. „Achtzig Jahre des ununterbrochenen Kampfes werden demnächst Frucht tragen“, sagte ANC-Präsident Nelson Mandela am Mittwoch auf einer Geburtstagsveranstaltung vor etwa 45.000 Anhängern in Bloemfontein, der Stadt in Zentrum des Landes, in der der ANC 1912 gegründet wurde. Mandela beschrieb den Beginn von Mehrparteienverhandlungen über Südafrikas Zukunft als einen einschneidenden Sieg des ANC. Die Absichtserklärung, die im Dezember bei dem „Konvent für ein demokratisches Südafrika“ (Codesa) auch von der Regierung unterzeichnet wurde, sei „ein Zugeständnis des Scheiterns des Regimes und der moralischen Überlegenheit unseres Kampfes“, sagte Mandela. Aber der jetzt beginnende Abschnitt der Verhandlungen werde besonders schwierig sein. „Genau weil es jetzt um die zentrale Frage unseres Kampfes, um die Übergabe der Macht, geht, wird der Widerstand des regierenden weißen Blocks intensiviert werden.“ Nur Druck auf allen Ebenen könne zum Erfolg führen. Tatsächlich steht der ANC, der von einer kleinen Gruppe schwarzer Intellektueller gegründet wurde, nun kurz vor seinem Ziel. Allerdings stellen die Verhandlungen mit der Regierung die Organisation vor ihre wohl schwierigste politische Aufgabe. Bisher war die Politik des ANC für die Mehrheit der schwarzen Bevölkerung deutlich zu erkennen. Denn bis in die achtziger Jahre verursachte zunehmende Repression weißer Regierungen eine ständige Radikalisierung der Opposition. Bereits in den vierziger Jahren hatte der ANC von einer auf Petitionen und Appellen an das liberale Verständnis der Weißen gegründeten Politik Abstand genommen und war zu konfrontativen Massendemonstrationen und Streiks übergegangen. Die Aufnahme des bewaffneten Kampfes 1961 folgte auf das Verbot des Afrikanischen Nationalkongresses, die massiven gewalttätigen Proteste in den Townships der achtziger Jahre waren Ergebnis der bis zum Überkochen von der Apartheid verschärften sozialen Spannungen. Doch für viele, vor allem junge ANC-Anhänger erscheinen die neue Verhandlungspolitik, die Suspendierung des bewaffneten Kampfes, die Konzessionsbereitschaft gegenüber dem weißen Regime fast unverständlich. Wichtigste Aufgabe des ANC wird es deshalb auch in diesem Jahr sein, seine Unterstützer von der Wirksamkeit der Verhandlungspolitik zu überzeugen.

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