Parteien streiten um Asylkompromiß

Erneut Kritik am Entwurf für eine Verfahrensbeschleunigung / Seiters bescheinigt Opposition „guten Willen“  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Guten Willen beschied Innenminister Seiters allen Beteiligten, als er die Runde der Innenpolitiker aus Koalition und Opposition vorzeitig verließ, die sich zum Dauerthema Asyl zusammengefunden hatte. Punkt für Punkt arbeitete sich die Mannschaft durch einen Arbeitsentwurf aus dem Seiters-Ministerium, der die im Oktober verabredeten „Zielvorstellungen“ von Union, FDP und SPD in ein Gesetz zur Neuregelung der Asylverfahren umsetzen soll. Die Sitzung dauerte bei Redaktionsschluß noch an.

Der beflissene Eifer der Innen- und Rechtspolitiker aus Regierung und Opposition konnte fast vergessen machen, daß hier ein brisanter und umstrittener Stoff behandelt wurde. Die „Zielvorstellungen“, Anfang Oktober in einem Spitzengespräch beim Bundeskanzler vereinbart und von der SPD als großer Erfolg gefeiert, sollen die Verfahren für offensichtlich aussichtslose Asylbewerber auf sechs Wochen verkürzen — mit drastischen Mitteln. Während dieser Frist sollen Asylbewerber künftig in Sammellagern erfaßt werden, für die künftig in Verantwortung des Bundes durchgezogenen Verfahren schränkt der Gesetzentwurf die Rechtsmittel drastisch ein. Über Klagen gegen ablehnende Bescheide soll als einzige Instanz ein Einzelrichter entscheiden. Die Fristen dafür sind zudem so knapp bemessen, daß begründete Einsprüche praktisch nicht mehr möglich sind. Mehr als problematisch sind außerdem die Regelungen zur erkennungsdienstlichen Erfassungen von Asylbewerbern.

Schon unmittelbar nach den „Zielvereinbarungen“ war klar geworden, daß die sozialdemokratischen Hoffnungen gleich doppelt verfehlt wurden: Der „Sammellagerbeschluß“ beendete weder die Debatte um das Grundrecht auf Asyl, noch wird er die Asylverfahren tatsächlich beschleunigen. Und das eigentliche Problem, nämlich die nach allen realistischen Prognosen wachsende Armutseinwanderung, packt dieses Gesetz erst gar nicht an.

Während sich Regierung und SPD-Opposition gegenseitig beschuldigen, die Umsetzung der „Zielvereinbarung“ zu verschleppen, nutzt die Innenpolitiker-Riege der Union auch diese Gelegenheit wieder zur Debatte um das Grundrecht auf Asyl. Aus dem Innenminsisterium wird in diesem Monat das Ratifizierungsgesetz zum sogenannten Schengener Abkommen erwartet, das, wie die 'Welt‘ undementiert behauptet, von Seiters mit einer Revision des Grundgesetzartikels 16 verknüpft werden soll. Als „Mogelpackung“ wies der FDP-Innenpolitiker Burkard Hirsch diesen Gedanken zurück. Dieses Abkommen der europäischen Staaten könne von der Bundesrepublik ratifiziert werden, ohne das Grundgesetz zu ändern.