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In Slowenien muß neu gewählt werden

Die bisherige Regierungskoalition Demos ist am Ende/ Angesichts der Wirtschaftskrise zeigt sich Interessengegensatz  ■ Von Ervin Hladnik-Milharcic

Für manche Slowenen ist es schon seltsam. Gerade in der Zeit, in der endlich die Anerkennung des Staates Slowenien Gestalt annimmt, ist das Land mit einer Regierungskrise beschäftigt. Am 30. Dezember erklärte das regierende Parteienbündnis Demos seine Auflösung. Jetzt wurden Neuwahlen anberaumt.

Von Anfang an war das Regierungsbündnis unfähig, eine gemeinsame kohärente Politik zu formulieren. Schon die Namen der Parteien, die diese Koalition bildeten, versprachen eine nur kurzlebige Dauer der Gemeinsamkeit: Das Spektrum reicht von der Slowenischen Christdemokratischen Partei über die Slowenische Sozialdemokratische Partei, die Slowenische Liberale Partei, die Slowenische Bäuerliche Volkspartei bis hin zur Grünen Partei, auf den Regierungsbänken saßen extreme Nationalisten neben sozialdemokratischen Linken. Die Regierung wurde zudem von einem superkatholischen Premierminister angeführt, der sich auf einen ex-linken Innenminister und einen Verteidigungsminister stützte, der einmal ein Friedensaktivist war. Hinzu kam ein Außenminister, der in seiner Jugend aus der Kommunistischen Partei geworfen wurde, weil er „proamerikanische Aktivitäten“ entwickelt hatte. Der Justizminister dagegen war extremer Nationalist, und der Vorsitzende der Koalition, der Sozialdemokrat Joze Pucnik, ein Ex-Dissident, der in den fünfziger Jahren ebenfalls aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen wurde und der deshalb die längste Zeit seines Lebens im deutschen Exil verbrachte.

Diese „unmögliche“ Koalition hatte schon damals, im April 1990, kein konsistentes Programm. Der Konsens bestand lediglich in dem Ziel, die Loslösung Sloweniens aus Jugoslawien zu erreichen, und aus dem vagen Versprechen, den neuen Staat so schnell wie möglich zu „europäischen Standards“ zu führen. Das erste Ziel wurde bekanntermaßen erreicht. Die Koalition organisierte im Dezember 1990 ein Referendum, bei dem die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung sich für die Unabhängigkeit aussprach. Im Juni 1990 widerstand Slowenien den Angriffen der jugoslawischen Bundesarmee, und in langwierigen Diskussionen mit der Europäischen Gemeinschaft wurde schließlich im letzten Dezember die formelle Anerkennung des Staates versprochen, des ersten neuen europäischen Staates nach dem II. Weltkrieg. Während dieser Zeit wurde eine eigene Währung geschaffen. Da die USA Schwiergkeiten bereiten, Slowenien in die Weltbank aufzunehmen, geht der Witz um, sie hätten Angst vor der neuen harten Währung Sloweniens, die sei nämlich härter als der Dollar, schließlich heißt sie ja Tolar. Es gelang der Regierung, ein Reformpaket bezüglich der Reorganisation der Polizei zu verabschieden, eine eigene Armee wurde aufgebaut und eine eigene Außenpolitik eingeleitet.

Aber auf dem Feld der Ökonomie geschah nichts. Es wurde sogar ein leidlich funktionierendes Sozialsystem angegriffen, das Schulsystem durcheinandergebracht und die Arbeitslosenrate von 3,5 auf 11,5 Prozent erhöht. Es wurde immer offensichtlicher, daß mit der Unabhängigkeit die Gemeinsamkeiten in der Koalition aufgebraucht waren. Einerseits wollte keine Partei die Verantwortung für den wirtschaftlichen Niedergang übernehmen, andererseits konnten die anderen Parteien den aggressiv kapitalistischen Vorstellungen der Rechten nicht zustimmen. Die Sozialdemokraten beharrten auf einem sozialen Netz, die Bauernpartei auf protektionistischen Maßnahmen für die Landwirtschaft, die Grünen auf an ökologischen Prämissen orientierten Reformen der Gesellschaft und der Wirtschaft. Die „zentristische“ Ausrichtung der Regierung ging vollends verloren, als die „Slowenische Demokratische Allianz“ sich spaltete. Angesichts der Führung durch Außenminister Dimitrij Rupel, der an einem „antifaschistischen“ Grundkonsens festhalten will, opponierte der rechts-nationalistische Flügel der Partei. Dessen Führer Rajko Pirnet spaltete die Partei auf dem Parteikongreß Ende letzten Jahres. Dagegen formte Innenminister Bavcar mit dem liberalen Flügel die „Slowenischen Demokraten“.

Durch diese Spaltung wurde der Koalition endgültig der Todesstoß versetzt. Statt eine neue Koalition zu bilden, beschloß man Neuwahlen, bei denen die rechten Nationalisten sich mit dem liberal-sozialdemokratischen Lager messen werden, zu dem auch die jetzt oppositionellen Kommunisten gehören. Die „Ära des Übergangs ist vorbei“ sagte der Präsident der Koalition, Pucnik, als er zurücktrat. Tatsächlich, nun geht es darum, alle Energie auf die Entwicklung der Wirtschaft zu werfen.

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