: Der Durchschnitt im unlöslichen Gegensatz
■ Beim Fußball-Hallenturnier in der Deutschlandhalle durfte die Hertha mal wieder gewinnen/ Wegen der langweiligen Gegner interessierten sich die meisten Fans mehr für das Familienleben der Spieler als für ihre Taten auf dem Platz
Charlottenburg. Die arme Hertha ist wirklich nicht zu beneiden. Zwar kann sie gleich zu Beginn des neuen Fußballjahres mit einem ganz netten Erfolg aufwarten, aber ganz ohne Sorgen und Zwiespältigkeiten geht es bei Berlins erfolgreichster Fußballmannschaft natürlich nicht. Anlaß für Verdruß und Freude solcher Art war wie gewohnt zu dieser Jahreszeit das 21. sogenannte internationale Hallenturnier in der Deutschlandhalle.
Ist für die Herthaner der 4. Platz als ganz ordentlicher sportlicher Erfolg zu bezeichnen, beginnt aber hier das zwiespältige Gefühl über Qualität und Sinn der Veranstaltung, während der sich die Küken von Trainer Bernd Stange so positiv präsentieren konnten. Die veranstaltenden Berliner begaben sich zwangsläufig in einen unüberbrückbaren Gegensatz zwischen dem Anspruch auf sportlichen und finanziellen Erfolg. Und sind einfach nicht in der Lage, diesen Konflikt zu lösen.
Die Geschichte ist ja ganz einfach. Das Berliner Fußballpublikum kommt nur in die Deutschlandhalle, wenn sowohl erstklassige Vereine dort spielen als auch die Hertha eine Chance hat, zu gewinnen. Als Zweitligistin hat sie diese momentan mitnichten, also dürfen die Gegner nicht allzu übermächtig sein, um die Fans nicht zu vergraulen, andererseits mag auch niemand hingehen, wenn nur mittelmäßiges Gebolze geboten wird.
Und mehr war an diesem Wochenende auch nicht zu sehen. Mangels Geld konnte die schwerverschuldete Hertha nur so biedere Vereine wie Dresden, Nürnberg oder MTK Budapest verpflichten, die, wie bei Hallenturnieren üblich, mit Reservespielern oder Nachwuchsleuten antraten. Selbst die einzige Zugnummer Werder Bremen ließ die Besten zu Hause; was Wunder, daß im Durchschnitt keine 5.000 BesucherInnen an den drei Tagen kamen.
Die vergebens auf ein außergewöhnliches Spektakel hofften. Im letzten Jahr hatten immerhin Masters-Sieger Dortmund, der damals noch gute HSV und ganz besonders die genialen Billard-Fußballer von Spartak Moskau für hohen Genuß gesorgt, diesmal gab's meist biederes Gebolze von Spielern, deren technisches Handwerkszeug gerade für das Nötigste reicht.
Wenigstens durfte die Hertha endlich mal wieder gewinnen, was allerdings kein Kunststück war gegen eine Budapester Mannschaft, deren Glanzzeit schon fast so weit zurückliegt wie die der Berliner. Auch der Sieg gegen die lustlosen Dresdner bedeutete nichts, denn im Rückspiel zeigten die Sachsen, daß sie auch ohne Stürmer Thorsten Gütschow Tore schießen können, und die Berliner frönten ihrem gewohnten Dilettantismus; mit einem 8:1 als höchstem Ergebnis aller drei Tage.
Übrigens hat auch noch eine zweite Berliner Mannschaft mitgespielt, die von Blau-Weiß nämlich. Einst eine exzellente Hallenmannschaft, die sogar beim Masters teilnehmen durfte, haben die Blau-Weißen so viel von ihrer höchst unterhaltsamen Spielkunst eingebüßt, daß es vollkommen ausreicht, nur den erzielten letzten Platz zu erwähnen, für den Rest bleibt Schweigen.
Viel interessanter ist dagegen, was sich Herthas Trainer Stange für dieses Turnier ausgedacht hatte. Damit die ganze Angelegenheit Sinn schuf, ließ er zwecks beginnenden Aufbaus einer neuen Mannschaft nur die Jüngsten spielen, was sicherlich mehrfach raffiniert war. So bekamen die Kleinen die wie üblich nötige Spielpraxis und waren zudem monetär hochmotiviert; schließlich hatte der Manager allen beteiligten Spielern erlaubt, die erbeutete Prämie ganz allein unter sich aufzuteilen.
Die Fans durften sich derweil an einem für Hallenfußball typischen Umstand erfreuen, der Nähe zu ihren so verehrten Idolen, die in den Spielpausen auf den Tribünen herumkletterten und Familienleben hautnah präsentierten. Es ist schon ein aufregendes Erlebnis, zuzuschauen, wenn Mario Basler seine Tochter mit Schokokeksen und Zuckerbrause stopft oder Theo Gries seinen Sohnemann huckepack durch die Halle reiten läßt.
Da fallen Nebensächlichkeiten glatt unter den Tisch, wie die Tatsache, daß wieder mal zuwenig ZuschauerInnen der Hertha ein paar Riesen weniger auf dem überzogenen Konto bescherten, im nächsten Jahr alles ganz anders wird, weil so viele Spitzenmannschaften nach Berlin kommen wollen und die Sponsoren Schlange stehen, um der Hertha zu helfen; und eins war ja noch, ach so. The winner is: Werder Bremen, die im Endspiel Dynamo Dresden mit 7:0 (4:0) schlugen. Schmiernik
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