NUR EIN TOTER JUNKIE IST EIN GUTER JUNKIE Von Mathias Bröckers

Alkohol wird getrunken, um in Stimmung zu kommen, während es den Haschern auf den Rausch ankommt“ — fast 20 Jahre sind vergangen, seit Bundesgesundheitsministerin Antje Huber dieses ingeniöse Statement zur Drogenpolitik vom Stapel ließ. Seitdem haben sich Drogen zu einem gewaltigen gesellschaftlichen Problem ausgewachsen, die Zahl der Toten ist drastisch angestiegen (über 2.000 wurden 1991 gezählt) und ein Ende des Horros ist nicht in Sicht: „Die Mehrheit der Menschen nimmt Alkohol nicht, um besoffen zu werden“, so Bayerns Innenminister Stoiber in einer Talkshow am Sonntag. Sein Justizstaatssekretär Sauter hatte zwei Tage zuvor lebenslange Haft für Dealer gefordert, nur so könne „diesen Mördern auf Raten“ das Handwerk gelegt werden, FDP-Graf Lambsdorff fordert „schärfere Gesetze gegen Rauschgiftschmuggler“ und eine nationale Konferenz — es fragt sich, wer sich hier eigentlich des Mords auf Raten schuldig macht: Der kriminelle Händler, der die Nachfrage nach einer verbotenen Ware deckt, oder der seriöse Politiker, der durch die Verschärfung des Verbots täglich mehr Menschen in den Untergrund, die Kriminalität, den Tod treibt? Werden die Lambsdorff, Stoiber et.al. von den Opium-Königen im Goldenen Dreieck oder den Kokain- Baronen geschmiert? Wahrscheinlich nicht — doch in Laos oder Medellin dürfte dieser Tage wieder einmal eitel Freude herrschen: die Geschäftsgrundlage im finanzstarken Deutschland nicht nur gesichert, sondern ausgesprochen rosig: Schärfere Gesetze treiben Preise und Gewinnspannen nach oben und garantieren weiterhin steuerfreie Profite.

Die Strategie der Drogenkrieger — mehr Polizei und mehr Knast — und immer das gleiche Gefasel von mehr „Aufklärung“, als ob nicht bereits jeder Sechsjährige wüßte, daß Drogen süchtig machen, diese Strategie produziert immer mehr Elend und immer mehr Leichen, und ihre Parole lautet: Weitermachen. Nur ein toter Junkie ist ein guter Junkie.

Die Unlogik der Drogendiskussion treibt auf neue, ungeahnte Höhepunkte zu: je komplexer das Problem, desto simpler die Lösung, Einigkeit und Recht und Dumpfheit von Stoiber bis Lamdsdorff, von Kohl bis in weite Teile der SPD. Mit jeder neuen Statistik, mit jeder Debatte, mit jeder Diskussion wird der Teufel Droge weiter dämonisiert — und die Politiker gebärden sich keinen Deut anders als die Exorzisten des Mittelalters: ohne Austreibung des Teufels kein Seelenheil im Staate. Die wenigen Dissidenten, die für Entkriminalisierung eintreten, werden von den meinungsführenden Teufelsaustreibern als „Zyniker“ verketztert, sie haben vor Satan „kapituliert“. „Wir müssen die Nicht- Besessenen vor der Gefahr schützen, besessen zu werden“ — zugegeben, Edmund Stoiber sprach nicht von Besessenen, sondern von Süchtigen, ansonsten aber ist er ein Heiliger Krieger par excellence: seit 70 Jahren werden seine Bayern vor dem Teufel namens „Heroin“ durch Polizei und Justiz streng geschützt, doch immer mehr und immer jüngere Landeskinder verlangen danach. Daß immer mehr auch daran sterben, hat aber nichts mit dem Produkt zu tun — die teuflische Erfindung der Bayer- Werke hat, außer daß sie süchtig macht, keine schädliche Nebenwirkungen auf menschliche Organe. Daß so viele junge Menschen daran verrecken, obwohl sie auch als Opiatsüchtige steinalt werden könnten, liegt einzig an denen, die sie davor schützen wollen.