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Unerwartete Konkurrenz für Bulgariens Präsidenten

Bisheriger Staatschef Scheljev verfehlte am Sonntag im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit — nur 44 Prozent  ■ Aus Skopje Roland Hofwiler

Bei den Präsidentenwahlen in Bulgarien mußte der amtierende Staatschef Schelju Scheljev am Sonntag eine überraschende Schlappe hinnehmen. Hatte man ihm schon im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit — Meinungsumfragen sprachen von stolzen 58 Prozent der Wählerstimmen — gegen seine 21 Mitstreiter zugetraut, erhielt Scheljev lediglich 44 Prozent der Stimmen. Sein Herausforderer bei der Stichwahl am kommenden Wochenende ist nun Welko Walkanov, ein offiziell unabhängiger Kandidat, der aber offen von den Ex-Kommunisten unterstützt wird und 30 Prozent der Wähler hinter sich bringen konnte.

Mit Walkanov und Scheljev steht sich nun ein Paar gegenüber, das den Balkanstaat politisch gefährlich spalten könnte. Scheljev ist ein intreger Altdissident, der eine moderne Marktwirtschaft, EG- und Nato-Beitritt anstrebt. Außerdem hat er die „Union der Demokratischen Kräfte“ ins Leben gerufen, die im vergangenen November bei Parlamentswahlen die bis dahin allein regierenden Sozialisten, ehemals Kommunisten, in die Oppositionsbänke drängte. Scheljev setzte sich darüber hinaus nachdrücklich für die Rechte der knapp eine Million Menschen zählenden türkischen Minderheit im Lande ein.

Dieses Programm läuft den Sozialisten zuwider. Ihr Kandidat Walkanow macht kein Hehl aus seinem Motto: „Bulgarien den Bulgaren“. Er will die Türkenorganisationen und vor allem deren Parlamentspartei „Bewegung für Rechte und Freiheiten“ sofort verbieten lassen, den türkischsprachigen Schulunterricht abschaffen und die Bulgarisierung türkischer Namen vorantreiben. Demnach müßten sich Menschen mit Nachnamen wie Hasani oder Kelmendi in Hasanov oder Kelmendev umwandeln. Vornamen dürften dann nur noch christlichen Ursprungs sein. Auch in Wirtschaftsfragen setzt der Kandidat der Sozialisten nicht auf eine europäische Wirtschaftsintegration. Seiner Auffassung nach soll das „reiche Bulgarien“ mit seiner „tausendjährigen Geschichte“ autark bleiben.

Auch wenn die Tageszeitung der „Union der demokratischen Kräfte“, 'Demokracija‘, gestern mit der Schlagzeile aufwartete, „die nächste Runde gewinnen wir“, rechnet man mit einem harten Kopf-an- Kopf-Rennen zwischen den beiden Kandidaten. Walkanovs Siegeschancen dürfen nämlich nicht heruntergespielt werden. Denn an dritter Stelle (17 Prozent der Stimmen) behauptete sich am Wochenende mit dem Zwei- Meter-Mann George Gantschew ein Hochstapler, der — ähnlich wie vor einem Jahr Stanislav Tyminski bei der Präsidentschaftswahl in Polen — den Bulgaren Wundermärchen verspricht. Der Exilbulgare appelliert an die „ruhmreiche bulgarische Geschichte“ und die „Kraft, die im bulgarischen Volke steckt“. Er wisse als erfolgreicher Geschäftsmann, der die Welt gesehen habe, was der beste Weg für das Land sei. Ähnlich wie im Falle Tyminski scheint es Gantschew in der Emigration doch nicht sehr weit gebracht zu haben, er war mehr in der Wirtschaftskriminalität verstrickt als in redlichen Geschäften, glauben die seriösen Zeitungen Sofias herausgefunden zu haben.

Dennoch wird vieles davon abhängen, ob jene Wähler, die im ersten Wahlgang für den Hochstapler stimmten, am kommenden Wochenende Walkanov oder Scheljev ihre Stimme geben werden. Dabei ist es kein Geheimnis, Walkanov steht diesen Bulgaren näher.

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