Der Recyclinghof

■ Über das Fernsehen des ORB aus Potsdam

Das Programm eines Fernsehsenders markiert sein Profil. Beim Ostdeutschen Rundfunk könnte das Kürzel ODR, jüngst ins nun endgültige ORB gewandelt, deshalb auch für „ohne deutliche Richtung“ stehen. Das liegt nicht in der Ignoranz bestehender Medienwahrheiten begründet, sondern im Geldmangel. Selbstproduzierte Programme sind nicht nur an Ideen, sondern auch an Kosten gebunden. Auch ist der ORB mit seinen zwei Existenzwochen noch recht jung. Sein Sitz ist das DEFA- Studio. „Babelsberg, das ist nicht das größte, nicht das schönste, im Moment aber vielleicht das abenteuerlichste Provisorium Fernsehen.“ Weise Worte einer Anstaltseinsitzenden. Ein Drittel seiner Ausstrahlungen übernimmt der ORB kommentarlos von 1plus, und der Kanal wiederum ist der Recyclinghof der ARD, was dem ORB nicht gerade überraschende Konturen verleiht. Auch in den eigenen Programmteilen wird viel wiederholt. Rudi Carrell verleitet zum Lachen. Die Rote Zora besteht Mutproben. Weitere Lebenshilfen für BrandenburgerInnen bietet das Telekolleg. Auf dem Stundenplan stehen Englisch, Marktwirtschaft und Erdkunde. Letztere Unterrichtsstunden führen allerdings nicht nach Mallorca, sondern nach Mecklenburg-Vorpommern. Brandenburg entdeckt die Welt. Aus Zeiten des „DFF sel.“ wurde Medizin nach Noten übernommen. Das ist die Sendung, in der mit pinkfarbenen Radfahrerhosen Bekleidete kontrollierte Veitstänze vorführen. Brandenburg bleibt gesund. Die raren Eigenproduktionen des ORB betreffen logischerweise den aktuellen Bereich, so das Brandenburg-Journal. Aufschlußreich wird es immer donnerstags. Da kommen die Einheimischen zu Wort, wenn auch die Konzepte der Sendungen altbacken sind: Mittendrin ist ein Live-Forum, Heißer Draht das Frage-Antwort-Spiel zwischen Menschen und Experten.

Bei aller Profilschwäche hat es der ORB zumindest mit seinem Logo geschafft, einen erfrischenden Akzent im deutschen Fernsehen zu setzen. Wo die anderen Sender zu ihren Programmen die Ziffern- und Buchstabenkürzel einblenden, zeigt der ORB die stilisierte Darstellung einer blauen Wolke, einer grünen Wiese und eines roten Flugtieres (Adlers?) — hoch in der Luft mit ausgebreiteten Schwingen. Da das Logo ungewohnterweise unten links im Bild erscheint, hat der rote Vogel reichlich Platz zum Abheben. Ob es sich dabei um die Symbolisierung des schwindenden Sozialismus (oder gar von Adlershof?) handelt, konnte bis Redaktionsschluß nicht in Erfahrung gebracht werden. Achim Becker