: MKL-BzLdWiVAO“LV“ an der Uni
■ An der Bremer Universität sind die Wahlen zum Studentenrat ausgebrochen
Kalter Wind fegte gestern über den „Boulevard“ der Bremer Universität, ein kleiner Tapeziertisch mit Glühwein war von dem Aufgang zum „Allgemeinen Studentenausschuß“ (AStA) aufgebaut. Für eine Mark gab's da nicht nur den Glühwein, sondern gleich den Becher mit dabei. Es ist Wahlkampf an der Uni.
So richtig mitbekommen haben das noch nicht alle StudentInnen. Die meisten der 14 kandidierenden Listen haben auch noch nicht ihre programmatischen Erklärungen verteilt, an den Wahlurnen, die an verschiedenen Stellen stehen, ist aber der Ernst der Lage zu erkennen. 25 von mehr als 10.000 Studierenden hatten am Mittag des ersten Wahltages ihre Stimme in dem zentralen geisteswissenschaftlichen Gebäude „GW2“ abgegeben, ganze vier im Foyer des „Mehrzweckhochhauses“. In weiser Voraussicht des schleppenden Interesses hat das Parlament der Studenten, der Studentenrat (SR), schon seit Jahren eine Wahlzeit von 14 Tagen angesetzt. In Hamburg war man kürzlich auf eine Wahlbeteiligung von 12 Prozent gekommen, in Bremen wird es ähnlich sein, prognostiziert ein alter Hase im studentischen Politik-Geschäft, Andreas Bovenschulte vom Sozialistischen Hochschulbund (SHB).
Um den rankt sich der erbitterte Kampf der letzten Polit-Aktivisten an der Uni. SHB und die Juso-Hochschulgruppe bilden nämlich die „Opposition“ im Studentenrat, sie sind die letzten Vertreter des Sozialismus an der Uni. Der AStA wird gestellt von einem breiten Bündnis von kleineren Gruppen. Den Glühwein schenkte eine „Grün-Alternative Liste“ (GAL) aus, zu ihr gehört auch der derzeitige AStA-Vorsitzende Rudolf Winkler. Die GAL will nämlich die Styropur-Becher in der Uni-Cafeteria durch mehrfach verwendbare Plastik-Becher ersetzen, die jeder Student in der Mappe mit sich führt. Als Bonbon ist in der Plastikbecher-Konstruktion sogar ein Bierflaschen- Öffner eingebaut und weil man offenbar damit rechnet, daß die Becher allein schlechtere Wahlkampf-Öffentlichkeit abgeben, werden sie zum Einstand mit Glühwein gefüllt...
Der AStA-Vorsitzender der GAL hatte sich zuletzt höchstpersönlich dafür engagiert, daß gegen die Phalanx der sozialistischen SHB/Juso-Gruppierung eine neue „Sozialdemokratische Liste“ entsteht, die der Juso- Hochschulgruppe die sozialdemokratischen Stimmen abspenstig machen soll. Die Jusos revanchierten sich mit Plakaten, auf denen steht, daß die GAL weder „grün“ noch „alternativ“ sei.
Mit in der derzeitigen AStA- Koalition dabei ist die „Femistische Liste“ und die „Multikulturelle Liste“, aber auch Vereinigungen wie „LSD-Lust/AUAS“, also „Liebevoll Selbstbestimmung Durchsetzen Liste Unabhängiger Stuga-Menschen Alternative Uni Aktive“, die mit ihren Phantasienamen den Frust der Studierenden über die Uni-Politik auf ihre Mühlen leiten wollen. Der LSD wird diesmal noch übertroffen von einer Vereinigung MKL-BzLdWiVAO“LV“, was für „Maoistische Kreisliga-Bewegung zur Lösung der Widersprüche im Volke (Aufbauorganisation 'Letzter Versuch')“ steht.
Aber der Ulk hat sich verbraucht. Axel, einem ehemaligen Aktivisten der Gruppe „Tuwas“, fällt bei der GAL nur noch „Kindergarten“ ein und bei Jusos „einfach widerwärtig“. Als es den streng marxistischen MSB noch gab, gegen den man anrennen konnte, da machte die Politik an der Uni Sinn, findet er.
Susanne, eine Studentin der Geisteswissenschaften, räumt ein, daß sie es nie für nötig befunden hat, sich „richtig hineinzuarbeiten“ in die Grüppchenkämpfe rund um den AStA. Die Parolen gegen Rassismus oder auch Sexismus, mit denen die Gruppen im Uni-Wahlkampf gegeneinander konkurrieren, findet sie eher vordergründig. Die Seminare seien „hoffnungslos überfüllt“, jetzt seien auch die „Praxislehrer“ gestrichen worden, die mit den Lehramts-Studenten die Unterrichtseinheiten vorbereitet haben — bessere Studienbedingungen, das wäre ein Thema, für das sich Engagement lohne. Darum scheinen aber die Aktiven, die sich um Mandate im Studentenrat bewerben, weniger zu kümmern.
Die Lage scheint an anderen Universitäten kaum besser. Um die Auseinandersetzung um didaktische und andere Qualitäten der Hochschullehrer zu provozieren, gibt es die Idee einer Aktion „Prüf den Prof“: Nach jedem Semester sollen die Studierenden ihren Hochschullehrern Zensuren geben, die gesammelt und veröffentlicht werden. Allerdings findet man diese Parole im Bremer AStA-Wahlkampof nicht — angeblich findet die Rektorenkonferenz die Idee gut. K.W.
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