: »Meine Wohnung ist ein One-way-Out«
■ Performance in Bild, Sprache und Musik im Kulturhaus Treptow in der Puschkinallee
Das Plakat am Haupteingang verspricht einen merkwürdigen Abend. »Hinten rum!« steht darauf geschrieben, aber »Hinten rum« ist genauso wie »Vorne rum« geschlossen. Noch drei Minuten bis Vorstellungsbeginn. Mit mir frieren sieben Besucher vor verschlossenen Türen, und ich denke nur noch: »Abwickeln, den Scheißladen.«
Dann öffnet doch noch Frau Robin Stahmer, die mit ihren Kollegen Wolfgang Schneider und Mikel Turnbull die Performance gestalten will. »Der Schlüssel war weg«, sagt sie, und führt uns über den stockfinsteren Bühneneingang in einen Vorraum, der geheizt und beleuchtet ist. Zu trinken gibt es nichts, dafür einen kurzen Vortrag von Mikel Turnbull, daß die Künstlergruppe keinen Wert auf Inhalte lege, und daß heute ein ganz besonderer Abend sei: die Performance wurde nicht geprobt, die Künstler wollen sich gegenseitig überraschen.
Wir stolpern wieder über Bühnenrequisiten und gelangen in zwei kleine Räume. Der erste Raum ist mit vertrocknetem Laub ausgelegt, an den Fenstern hängen transparente Plastikfahnen. In dem zweiten Raum fällt eine Text-/Bild-Collage auf; 27 zu einem Block gefügte Schreibmaschinenblätter, auf denen sich, jeweils unterschiedlich, der Satz wiederholt: »The animal there has a little patience.« Robin Stahmer liest ihre Texte, vom Publikum abgewandt. »Meine Wohnung ist ein One-way- Out... In meinem Schlafzimmer schlecken sich Jasminblüten die Finger... Also das Tier stieg zwei, drei Türen hoch, trat aus der Wand und verschwand...«
Wolfgang Schneider zeigt gleichzeitig Bilder, die von zwei übereinander gestellten Dia-Projektoren an die Wand geworfen werden. Es sind weichgezeichnete, fließende Formen, sanfte Farbtöne, Blumen, Steine, Landschaften, die unerreichbar weit weg sind, mystische Bilder einer fremden, schönen Welt. Mikel Turnbull improvisiert auf einer Baßblockflöte, wild, dann wieder melancholisch. Sein Spiel erinnert an Steppenlandschaften, an menschenleere, offene, unberührte Natur.
Robin Stahmer rezitiert inzwischen den Text des Kinderliedes »Hänschen klein, ging allein« und ruckelt dabei auf einem Holzstuhl über den Fußboden. Wolfgang Schneider verbrennt in einer Porzellanschale Myrrhe, der beißende Geruch läßt die Augen tränen. Aus zwei kleinen Lautsprechern, die im Laub vergraben sind, dringt eine Geräuschmischung, die an B-Produktionen Hollywoods denken läßt: zuklappende Wagenverschläge, schnelle Schußfolgen, unverständliche Dialoge und das Klak-Klak von Pfennigabsätzen.
Nach 45 Minuten sitzen die Zuschauer ziemlich verstört im Laub und spielen mit den Blättern. Mikel Turnbull fragt mich, wie mir die Performance gefallen habe. »Ziemlich humorlos«, antworte ich. Turnbull nickt. »Nächsten Montag wird das anders«, verspricht der Musiker. Werner
Nächste Vorstellung: 27. Januar, 20 Uhr, Kulturhaus Treptow, Puschkinallee 5; Hinten rum!
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