: Keine Lust auf Kaffee am Adenauerplatz
■ Eine zufällige Restfläche zum Andenken an den ersten Nachkriegskanzler/ Eine diffuse Verkehrsführung und ein Rheinländer gaben der namenlosen Kreuzung ihren Namen/ Im Jahr 2000 soll hier tropische Gemütlichkeit herrschen
Wilmersdorf. Es fällt schwer, an der riesigen Kreuzung Wilmersdorfer/Brandenburgische Straße und Kurfürstendamm einen Platz zu erkennen. Als Fußgänger fühlt man sich ziemlich verloren inmitten dieses tosenden Großstadtverkehrs. Man könnte meinen, die dahinrasende U7 unter den Fußsohlen zu spüren. Angesichts der Übermacht von Autos, Bussen, und Taxis möchte man am liebsten unversehens wieder in einen der vier U-Bahn-Eingänge verschwinden.
Die Nordseite des Adenauerplatzes beherrscht ein Klotz aus Glas und Beton. Dort, wo sich früher das Gourmetrestaurant »Chapeau Claque«, ein Reisebüro, Schuhgeschäft, Bekleidungs- und Tapetengeschäft, ein Chinarestaurant und die Safari- Disco befanden, standen Anfang 1979 »arg heruntergekommene Geschäftsräume« ('Der Abend') zur Vermietung.
Doch statt zahlungskräftige Geschäftsleute kamen Penner an diesen Ort, um hier ihren Rausch auszuschlafen. Jetzt beherbergt das Gebäude lediglich einen Supermarkt, ein Jeansgeschäft und ein Automaten-Casino.
Den Mittelpunkt des Platzes bildet ein Brunnen aus Metall, der in seiner Form an eine abgestorbene Pflanze mit ausgefransten Blättern erinnert. Um den Brunnen herum sind kleine Tische mit Sitzgelegenheiten angeordnet. Solche »Verschnaufplätze« werden im Sommer von Einkaufswütigen gerne aufgesucht, um zwischen den zwei bedeutsamen Einkaufsstraßen — dem noblen Ku'damm und der populären Wilmersdorfer Einkaufsmeile — eine Pause einzulegen.
In der kalten Jahreszeit wirken die Sitzgelegenheiten verlassen, und man gönnt sich eine Pause im angrenzenden »Graffiti», ißt auf die Schnelle einen Döner bei »Hassan's Falafel« oder läßt sich im Nobelcafé »Adlon« sehen, das vor etwa zehn Jahren den Namen des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Ostberliner Hotels übernommen hat. Noch aus dem Hotel stammt auch der Spruch in goldenen Lettern »Hier war der Kaiser Gast, hier ist der König Gast«.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite tragen das zum Teil eingerüstete Hotel »Panorama«, der Bauzaun um das »New Eden« und das Studio-Kino nicht gerade zur Verschönerung des Platzes bei. Auch die provisorischen überirdischen Wasserversorgungsleitungen, die zur Zeit entlang der Ostseite des Platzes verlaufen, lassen keine Gemütlichkeit aufkommen.
Schon im Jahre 1972 machte man sich Gedanken über die bis dahin namenlose Kreuzung. Die damalige Berliner CDU machte den Vorschlag, die Kreuzung in Adenauerplatz umzubenennen. Verstärkung bekam sie aus dem fernen Rheinland- Pfalz, von wo aus der damalige Ministerpräsident Helmut Kohl die politische Linke daran erinnerte, daß »die vierzehn Jahre unter Bundeskanzler Adenauer vierzehn gute Jahre im Leben der Deutschen gewesen seien«. Der ehemalige Bundeskanzler selbst hat nie besonders viel von der Stadt gehalten. »In Berlin fühlte er sich wie in einer heidnischen Stadt.« Die Berliner wiederum nahmen ihm übel, daß er nach dem Mauerbau so wenig von sich hören ließ. So kam es bei der Einweihungsfeier des Platzes am 23. Mai 1974 zu heftigen Protesten. Während auf der Nordseite Bierzelte, Schießbuden und ein Kinderkarussel für Volksfeststimmung sorgen sollten, wurden auf der Südseite rote Protesttransparente getragen.
Zwölf Jahre später gab es einen städtebaulichen »Wettbewerb Kurfürstendamm«. Architekten sollten sich Gedanken zu »einer attraktiveren Gestaltung des Kurfürstendamms« mit seinen Plätzen machen. Bei der Verschönerung des Adenauerplatzes waren der großstädtischen Phantasie keine Grenzen gesetzt: »Unter Palmen in einem tropischen Wintergarten am Adenauerplatz Kaffee trinken ... Was heute noch utopisch klingt, kann für die Berliner und Besucher im Jahre 2000 Wirklichkeit sein« — hieß es 1986 in der 'Morgenpost'.
Auch im Jahre 1992 klingt diese Idee utopisch. Der Adenauerplatz erscheint mehr diffuser Kreuzungsbereich mit Durchgangsverkehr von überregionaler Bedeutung denn Platz. Schuld daran ist die Verkehrsplanung der 60er Jahre. Durch die Teilung der Stadt kam es zu einer Verstärkung des Nord-Süd-Verkehrs, die eine Änderung der Straßenbreite sowie eine Umgestaltung im Kreuzungsbereich Wilmersdorfer Straße/Brandenburgische Straße und Ku'damm erforderlich machte. 1968 wurde die Untertunnelung der Brandenburgischen Straße und Lewishamstraße fertiggestellt und damit der historische Block zwischen Waitz- und Wilmersdorfer Straße zerteilt. Die Wilmersdorfer Straße wurde nicht mehr bis zum Ku'damm geführt, sondern auf die Lewishamstraße, so daß auf der verbleibenden Fläche der Adenauerplatz entstand. Barbara Bollwahn
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