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Abkehr vom Asylkompromiß

■ Kohl will doch wieder Grundgesetz ändern/ SPD verlangt Änderungen des Seiters-Entwurfs

Bonn (ap/dpa/taz) — Bei CDU/ CSU und auch bei der SPD halten die Absetzbewegungen vom sogenannten „Asylkompromiß“ an, auf den sich die Regierungsparteien und die Sozialdemokraten im Oktober in einer Runde bei Kanzler Kohl geeinigt hatten. Helmut Kohl selbst trat gestern nun erneut für die Änderung des Artikels 16 des Grundgesetzes ein, der politisch Verfolgten Asyl in der Bundesrepublik garantiert.

In Stuttgart, wo demnächst Landtagswahlen ins Haus stehen, erklärte der Kanzler, eine Gesamtlösung der „Asylproblematik“ bedürfe der Verfassungsänderung. Eine solche Änderung des Grundgesetzes sei unter anderem auch Voraussetzung dafür, um am Schengener Abkommen voll teilhaben zu können.

Einen entsprechenden — wegen der ablehnenden Haltung der SPD allerdings chancenlosen — Gesetzentwurf bereitet die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bereits vor. Der parlamentarische CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Rüttgers kündigte in Bonn noch für den gestrigen Nachmittag eine Entscheidung der Bundestagsabgeordneten der Union über einen Beschlußvorschlag der Fraktionsführung an, der eine Änderung des Artikels 16 des Grundgesetzes zum Ziel hat.

Rüttgers sah gestern vor Journalisten keinen Widerspruch zwischen einer Grundgesetzänderung, für die in Bundestag und Bundesrat eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig ist, und dem Asylkompromiß mit der SPD. Die CDU/CSU-Fraktion setze sich weiterhin dafür ein, daß das mit der SPD vereinbarte Gesetz zur Beschleunigung der Asylverfahren zügig eingebracht und verabschiedet werde, sagte Rüttgers. Bestandteil des von SPD und Regierungsparteien getragenen Kompromisses war allerdings im Herbst noch ein Verzicht der Union auf Initiativen zur Änderung des Artikels 16 gewesen.

Das SPD-Präsidium hatte bereits am Montag nachmittag noch einmal über den Gesetzentwurf zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes debattiert, den Bundesinnenminister Rudolf Seiters im Anschluß an den Asylkompromiß vorgelegt hatte. Auch der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Hans-Ulrich Klose, ging gestern daraufhin auf Distanz zu dem Seiters-Entwurf, den die Bonner SPD bisher noch als Grundlage für eine gemeinsame Asylrechtsnovelle akzeptieren wollte. In dem Seiters-Papier gebe es noch eine Reihe von Unklarheiten, sagte Klose. Es werde kein gemeinsames Gesetz mit der SPD geben, wenn dadurch die Asylvereinbarung zwischen Regierungsparteien und SPD nicht auch umgesetzt werde. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Herta Däubler-Gmelin forderte gestern den Bundesinnenminister auf, die im Asylmkompromiß vereinbarten Vorstellungen vollständig in seinen Gesetzentwurf aufzunehmen. Sie wandte sich gegen die Doppelgleisigkeit der Asylverfahren bei Bund und Ausländerbehörden, die der Seiters-Entwurf weiterhin vorsieht.

Hans-Ulrich Klose stellte gestern die Ratifizierung des Schengener Abkommens in Frage, das in allen Vertragsstaaten für Flüchtlinge nur noch ein einziges Asylverfahren im Erstankunftsland zulassen will. Klose will es auf ein Scheitern der Ratifizierung ankommen lassen, falls zuvor nicht sichergestellt ist, daß in allen Unterzeichnerstaaten die Genfer Flüchtlingskonvention eingehalten werde.

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