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Gericht: Kein Recht auf Asyl für Kurden

Mit der Begründung, in Türkisch-Kurdistan sei die Bevölkerung keinerlei „Gruppenverfolgung“ ausgesetzt, hob das Oberverwaltungsgericht Lüneburg Hunderte von Asyl-Anerkennungen wieder auf  ■ Von Dirk Asendorpf

Bremen (taz) —Mit einem Handstreich hat am Dienstag abend das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg Hunderten von AsylbewerberInnen aus Türkisch- Kurdistan erneut jede Hoffnung genommen, in Deutschland ein Recht auf Asyl zu bekommen. Trotz regelmäßiger Militärüberfälle auf die Zivilbevölkerung gebe es „keine Gruppenverfolgung von Kurden in der Türkei“, urteilten die Lüneburger Richter und kippten damit die ersten zwei von mehreren hundert Entscheidungen, in denen das Verwaltungsgericht Stade seit April 1991 in ständiger Rechtsprechung eine solche Gruppenverfolgung anerkannt hatte.

Mit ihrer Anerkennung der „Gruppenverfolgung“ für türkische Kurden hatte sich das Stader Gericht gegen die vorherrschende Rechtsprechung bundesdeutscher Verwaltungsgerichte gestellt. Für die Anerkennung einer Gruppenverfolgung müsse das Maß der Verfolgung nicht erst „pogromähnliche Zustände“ erreichen, hatten die Stader Richter mit Verweis auf eine ähnliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.1.91 geurteilt. „Der menschliche Überlebenswille drängt dazu, nicht nur den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, sondern bereits die Nähe der Schlinge zu meiden“, hieß es in den vergangenen Monaten gleichlautend in den Stader Urteilen zur Gruppenverfolgung der türkischen Kurden.

Erste Betroffene: Kinder

Das Lüneburger Oberverwaltungsgericht blieb am Dienstag dagegen bei der bislang vorherrschenden Rechtsauffassung, daß „das Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte gegen kurdische Bewohner der südöstlichen Gebiete der Türkei sich nicht gegen die Volksgruppe der Kurden als solche richtet“. Vielmehr handele es sich dabei „um zeitlich und örtlich begrenzte Reaktionen auf Anschläge von Untergrundkämpfern“. Betroffen von diesem ersten Lüneburger Berufungsverfahren gegen die Stader Asyl-Anerkennungen sind zwei kurdische Kinder und ein 17jähriger Junge, der bei seinem Onkel in der Bundesrepublik Zuflucht gesucht hatte. (Aktenzeichen: 11 L 596/91 u. 11 L 6064/91)

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