: Kein Geschichts-»Schmusekurs«
■ Stiftung für Prinz-Albrecht-Gelände beschlossen/ Initiativen befürchten Verdrängung
Kreuzberg. Für Erhalt und Ausbau des Prinz-Albrecht-Geländes neben dem Martin-Gropius-Bau wird ab dem 1. April eine Stiftung Topographie des Terrors — Internationale Dokumentations- und Begegnungsstätte zuständig sein. Nächsten Dienstag wird der Senat die Errichtung einer unselbständigen Stiftung öffentlichen Rechts beschließen, die bis spätestens zum 31. 12. 1993 in eine selbständige Stiftung umgewandelt werden soll. Dieser wird dann auch das Grundstück übertragen, auf dem sich das Gestapogelände befindet. Der Bund wird sich sowohl finanziell als auch inhaltlich an der Stiftung beteiligen. Dies verkündete am Mittwoch Kultursenator Roloff-Momin auf einer Diskussionsveranstaltung des »Aktiven Museums Faschismus und Widerstand in Berlin e.V.«. Seit zwei Jahren wird eine solche Stiftung von einer Fachkommission gefordert. Jetzt ist es soweit. Doch die Begeisterung der Vertreter der Fachkommission und anderer Initiativen, die sich für die Erhaltung des Gestapogeländes eingesetzt haben, hielt sich in Grenzen. Der inhaltlichen Beteiligung des Bundes standen die meisten Anwesenden skeptisch gegenüber.
Albert Eckert, kulturpolitischer Sprecher der AL, befürchtete, die verschiedenen Vereine und Initiativen könnten in einen bedeutungslosen Beirat abgedrängt werden, wie dies bei dem Trägerverein der Wannseevilla geschehen sei. Auch Stefanie Endlich, Mitglied der Fachkommission, zeigte sich skeptisch, ob der Bund die Arbeit der Initiativen und deren kritischen Umgang mit der Geschichte respektieren würde, und verwies auf die Gedenkstätte im ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald. Dort hat der Bund sich bereit erklärt, fünfzig Prozent der Kosten zu übernehmen. Allerdings wird Buchenwald, das nach 1945 auch den Sowjets als Internierungslager diente, jetzt zu einer Gedenkstätte »für die Opfer des Unrechts in aller Welt«. Dies sei nicht gerade ein vorbildliches Beispiel für den Umgang mit der NS-Vergangenheit, befand Endlich.
Roloff-Momin hatte diesen Befürchtungen nur wenig entgegenzusetzen. Genaue Angaben, wie die Stiftung arbeiten und wer in welchen Entscheidungsgremien sitzen wird, will er erst am Dienstag bekanntgeben. Er versprach zwar, daß die Initiativen »in einer Art und Weise mit im Boot« sitzen würden. Er hoffe, daß dies einen »Schmusekurs« gegenüber der Vergangenheit ausschließen werde. Aber er gab auch zu, daß die staatlichen Vertreter ein »retardierendes Moment« darstellen werden. Die Stiftung sei als Konfliktmodell angelegt, das den Diskussionsstand der Gesellschaft widerspiegele. Nach Vorstellung der Fachkommission, des »Aktiven Museums« und anderer Initiativen, soll das Gelände nicht bebaut oder künstlerisch gestaltet werden. Nötige Arbeitsräume sollen am Geländerand entstehen. Auch Roloff-Momin sprach sich gegen eine Bebauung des Geländes aus: Der Platz müsse den Charakter einer »offenen Wunde« behalten, sagte er, und bekundete seine Hoffnung, daß das Gelände bis zum 8. Mai 1995, dem 50. Jahrestag des Kriegsendes, »in einer Weise hergerichtet sein wird, die dem angemessen ist, was es verkörpert«. Anja Seeliger
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