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Fritz Muliar in Felix Mitterers Monodram "Sibirien"

Der alte Mann erzählt einen Witz. »Seid ihr alle da?« fragt Kasperle. »Ja«, schreien die Bewohner des Pflegeheims über die Abwechselung in ihrem langweiligen Alltag begeistert. Sagt Kasperle: »Nicht mehr lange«.

Fritz Muliar spielt den alten Mann in Felix Mitterers Monodram Sibirien (und er spielt ihn bravourös). Das 1989 entstandene Stück wurde von Franz Morak am Wiener Burgtheater inszeniert und nun in den Spielplan des Schloßparktheaters, der Steglitzer Dependance des Schiller Theaters, übernommen. Im Austausch gastiert Bernhard Minetti mit seinem Grimm-Märchenabend an der Wiener Burg.

Die Bühne ist krankenhausweiß mit Tüchern ausgeschlagen, nur ein Bett mit Gittern steht auf einer leicht angeschrägten Fläche. Der alte Mann hadert, bittet oder wütet, fühlt sich von seiner Familie ins Pflegeheim abgeschoben. Offen bleibt, und das macht Mitterers Stück sympathisch, ob dies tatsächlich der Fall ist oder ob der Alte zum Pflegefall geworden ist, den die Familie nicht mehr leisten kann. Phantasiert er bereits, wenn er dem Bundespräsidenten Beschwerdebriefe schreibt? Und ist er nicht doch mit einem guten Realitätssinn ausgestattet, wenn er die Schwester beschreibt, die ihm so eifrig dabei hilft, das Codewort für sein Sparbuch herauszufinden? Natürlich, es lautet auf den Namen seines Hundes.

Der alte Mann verfällt. Weil er alleine gelassen wird, weil er todkrank ist? Er fordert Sterbehilfe. Ihm hilft niemand, niemand kann ihm helfen. Der Tod, nah, unvermeidlich — und so unversöhnlich wie Fritz Muliar in dieser sehenswerten Inszenierung. Nächste Vorstellungen im Schloßparktheater: 26., 30. und 31.1., 20Uhr sabse

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