PRESS-SCHLAG: Big Man in Malawi
■ Beim Afrika-Cup war eine bunte Palette europäischer Fußballtrainer in afrikanischen Diensten zu bestaunen
Es sind Männer in den besten Jahren, die später einmal dicke Schwarten schreiben könnten. Zu Hause in Europa waren sie nie bekannt oder sind längst in Vergessenheit geraten. In fernen Ländern werden sie von Sportministern hofiert und von Staatspräsidenten gefeuert.
Und manchmal droht ein Attentat. Warum? Weil sie Trainer einer Fußballnationalmannschaft sind. Eine staatstragende Beschäftigung für Fremdenlegionäre diverser Prägung. Eine kleine Typenkunde angelegentlich des 18. Afrika- Cups, der am Sonntag im Senegal zu Ende ging und von der Mannschaft der Elfenbeinküste gewonnen wurde — mit afrikanischem Coach.
Der Hohepriester
Da schlurft er wieder um die Ecke, kriegt die Füße nicht vom Boden, krümmt den Rücken wie ein alter Mann, saugt heftig an der Marlboro — und sondiert mit diesem irrwitzig kreisenden Blick das Terrain. „Mr. Otto“, der weißhaarige Maniac aus Köln, steht bereit, jedem, der es hören will, seine Litanei herunterzubeten. „Fußball ist Religion“, und Afrika ist das geweihte Land.
Vor zwanzig Jahren ist Otto Pfister als Fußball-Entwicklungshelfer nach Afrika gegangen. Längst kommt ihm Europa absurd vor, längst hat er sich schaudernd vom „Zerfall dieser Zivilisation“ abgewandt. „Wie können die Leute 24 Fernsehprogramme, eine Fernbedienung und noch einen Videorekorder haben? Das ist verschenkte Zeit, gell?“ Otto Pfister haßt solche Verschwendung. „Die glauben doch, daß sie unsterblich sind, gell. Und dann geht ihr Leben einfach so vorbei. Gut, daß die gar nicht wissen, was ihnen entgeht, gell.“ So sprudelt's unablässig weiter. Er ist im Paradies, in Ruanda, Malawi, im Senegal, nun in Ghana, umgeben von Männern und Jungen, deren fußballerische Genialität er preisen darf.
Und weil dem so ist, weiß er so genau selbst nicht mehr, wozu er, der behäbige Europäer, eigentlich noch gebraucht wird. Aber schön ist es doch, gell?
Der Hobbybetreuer
Eigentlich ist er Hotelier und hat seine „Investments“ in Nairobi und auf den Seychellen. Geld allein macht nicht sehr glücklich, deshalb vertreibt sich Gerhard Saurer seit 25 Jahren die Freizeit im Exil als Fußball-Übungsleiter. Der Österreicher wird in die afrikanische Fußballgeschichte eingehen, weil er 1986 mit den Vulcanos in Kenias Hauptstadt den ersten Profiverein im Osten des Kontinents gründete. Die Vulcanos verstarben zweijährig, weil das Kind den Offiziellen nicht recht geheuer und dem Vater der Hickhack zu aufreibend war. Später entschädigte Kenias Regierung seinen gutmütigen Gastarbeiter mit der Überantwortung der Nationalmannschaft. Ein recht desperates Unternehmen — ein Hobbytrainer, der Hobbyspieler betreut, die einem verschlafenen Sportministerium unterstehen, das nie mit seinem Finanzplan fertig wird. Selbst zu Qualifikationsspielen für den Afrika-Cup mußten die Kenianer deshalb ganze Tage per Bus reisen.
Der Vater
Fest verschränkt er seine zehn Finger, preßt die Fingerspitzen in die Handrücken und drückt dabei die Handgelenke mit aller Kraft auseinander. Clemens Westerhoof schwört die Nigerianer auf ein großes Match ein: „Wir sind eine Familie. Niemand kann uns auseinanderbringen.“ Dann funkeln seine Augen unter den bedrohlich dichten Brauen wild, und sein Körper fängt an zu vibrieren. Die Männer, sonst cool wie eine Hip-Hop-Band — lieben die ekstatische Einschwörung, vor Spielen setzen sie sie mit Kriegsgesängen fort.
Die „Super Bagles“ aus Nigeria— im Halbfinale nur knapp an Ghana gescheitert und mit einem 2:1 gegen Kamerun auf dem dritten Platz der Afrika-Meisterschaft gelandet — sind eine Obsession für den 51jährigen aus Arnheim geworden. Seit zweieinhalb Jahren trainiert er die Mannschaft — und streitet sich mit den „Bobos“ (Westerhoof), jenen renitenten Scharen von Offiziellen aus Verband und Ministerium, die sich in alles einmischen. Sportliche Erfolge verbessern seine Position. Doch „Lagos ist die Hölle auf Erden“. Neben dem Terror des Molochs drohen Attacken von Neidern und Gegnern. „Die töten da noch mit kleinen Blasröhrchen. Zack, bist du weg. Puh.“
Der Angestellte
Einst war er Mannschaftskapitän des FC Bayern München und in traulicher Thekenatmosphäre reproduziert Werner Olk das makellose Bild seiner Laufbahn. Eigentlich ist er ohne Fehl und Tadel. Nur werden ihm öfter Jobs angetragen, deren Umstände nicht einfach sind. Die marokkanische Nationalmannschaft ist wieder so ein Fall. „Lauter Amateure, mit denen kann ich doch nur Basisarbeit machen.“ Weshalb er den Spielern auch fortgeschrittene Fußballkunde, taktische Konzepte und Briefing vor dem Spiel ersparte. In der Vorrunde schieden die Marokkaner aus dem Afrika-Cup aus.
An der Theke zuckt der Trainer die Schultern, so erschüttert wie die automatische Zeitansage, wenn es zwölf Uhr schlägt. „Schade, ich wäre gern geblieben.“ Katrin Weber-Klüver (Dakar)
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