: PFLP-Chef Habasch: Falle in Paris?
■ Krankenhausaufenthalt des Palästinenserchefs stürzt französische Regierung in tiefe Krise/ Mitterrand und seine Minister wollen von nichts gewußt haben/ Patient in Polizeigewahrsam genommen
Paris (taz) — Der radikale Palästinenserführer George Habasch, der seit Mittwoch abend in einem Krankenhaus des Roten Kreuzes in Paris liegt, hat die französische Regierung in größte Schwierigkeiten gebracht. Vier Spitzenbeamte wurden bis gestern gefeuert, weil sie die Einreise des PFLP-Führers während der komplizierten Nahost-Friedensgespräche angeblich ohne Zustimmung ihrer Minister genehmigt hatten. Auch Präsident Mitterrand der auf Staatsbesuch im Sultanat Oman weilte, als der prominente Patient in Paris einflog, will erst hinterher davon erfahren haben.
Obwohl es keinen nationalen oder internationalen Haftbefehl gegen Habasch gibt, wurde er am Donnerstag abend auf Initiative des Geheimdienstes DST unter Polizeigewahrsam gestellt. Bereits zuvor hatten Scharfschützen der Anti-Terror- Einheit Raid auf den umliegenden Dächern des Henry-Dunant-Krankenhauses Stellung bezogen. Er soll verhört werden, sobald es sein Gesundheitszustand erlaubt. Auf diese Weise könnte Habaschs Aufenthalt in Frankreich auch sein Gutes haben, versuchte der sozialistische Sozialminister Bianco gestern die Affäre herunterzuspielen. Zugleich nannte er die Einreisegenehmigung einen „schweren Fehler“. Der auf Terrorfälle spezialisierte französische Untersuchungsrichter, Jean-Luis Bruguiere, habe sich Habaschs Dossiers vorgenommen. Gestern nachmittag wurde in Paris auch nicht mehr ausgeschlossen, daß Bruguiere einen Haftbefehl gegen Habasch erläßt. Am Montag beginnt in Paris ein Prozeß über die blutigen Teroranschläge des Jahres 1986. Damals hatte die Polizei ein Sprengstofflager entdeckt, das der PFLP zugeschrieben wird.
In Paris mußten Spitzenkräfte für die Einreisegenehmigung büßen. Am Quai d'Orsay wurde der stellvertretende Außenminister Francois Scheer entlassen. Der Spezialist für heikle Aufgaben leitete im Golfkrieg die Geheimgespräche mit den arabischen Staaten, vermittelte im Libanon und verhandelte in Teheran über den Konflikt um die Atomanreicherungsanlage „Eurodiff“. Mit ihm wurden die Kabinettschefs im Außen- und im Innenministerium, Bernard Kessedjian und Christian Vigouroux, entlassen. Außerdem mußte die langjährige Mitterrand- Vertraute Georgina Dufoix ihren Posten als Elysee-Beraterin aufgeben. Auch ihr Rücktritt von der Spitze des französischen Roten Kreuzes wurde gestern vehement gefordert. Die Rot-Kreuz-Chefin hat die volle Verantwortung auf sich genommen und ihr Vorgehen mit „humanitären Erwägungen“ gerechtfertigt. Außenminister Dumas und Innenminister Marchand verschanzten sich hinter ihrem Nichtwissen.
Oppositionspolitiker in Paris sprachen gestern von „Sündenbockdemokratie“ und forderten den Rücktritt der zuständigen Minister. Sie bezweifelten, daß die brisante Entscheidung ohne deren Mitwissen gefällt wurde. Die linksliberale Tageszeitung 'Liberation‘ fragte, ob ein „derart schlechtes Funktionieren des Staatsapparates überhaupt möglich“ sei. Knapp zwei Monate vor den Regionalwahlen kommt die neuerliche Affäre der Opposition wie gerufen. Gestern wurde sie bereits mit dem Skandal um das 1985 versenkte Greenpeace-Schiff „Rainbow Warrior“ verglichen.
Harte Kritik an der französischen Regierung kam auch aus Israel. Außenminister Levy sprach von einem „Schlag ins Gesicht“ seines Landes. Nach Informationen aus Jerusalem wird dort erwogen, eine Auslieferung Habaschs zu verlangen.
Rätselhaft bleibt, warum Habasch nach Frankreich gebracht wurde, womit der PFPL-Chef zwangläufig in Schwierigkeiten kommen mußte. PLO-Chef Yassir Arafat, dessen Bruder Chef des palästinensischen Roten Halbmonds ist, soll den Transport des Kranken eingefädelt haben. In Tunis wurde spekuliert, Arafat habe die Verlegung Habaschs betrieben, um sich seines Widersachers zu entledigen.
Offiziell hingegen protestierte die PLO dagegen, daß der Kranke in Paris in Polizeigewahrsam genommen wurde. Unterstützt von der PFLP forderte die PLO, Habasch freizugeben und alle Vorwürfe gegen ihn fallenzulassen. Bettina Kaps/dora
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