piwik no script img

Bußgeld für Siemens-Atomfabrik?

■ Illegaler Umbau in Lingen/ Griefahn prüft

Berlin (taz) — Die Atomfabrik „Advanced Nuclear Fuels“ (ANF) in Lingen hat sich wieder in die Nesseln gesetzt. Im Oktober 1991 bauten Ingenieure einen neuen Gasmischbehälter ein. Die dafür notwendige Zustimmung der Aufsichtsbehörde — des niedersächsischen Umweltministeriums — hatte die Siemens-Tochter aber nicht. Ministerin Griefahn will jetzt ein Bußgeldverfahren einleiten und die „Zuverlässigkeit“ der Atomfirma überprüfen.

Den illegal eingebauten Behälter, in dem Wasserstoff und Stickstoff gemischt werden, hatte der TÜV zufällig am 21. Januar entdeckt. Das Gasgemisch wird für die Herstellung von AKW-Brennelementen gebraucht. Die Atomrechtsexperten in niedersächsischen Umweltministerium prüfen jetzt, ob sich ANF mit dem Einbau des Gasbehälters einer Ordnungswidrigkeit schuldig gemacht hat. Mit der Untersuchung steht auch die Zuverlässigkeit der Betreiber zur Diskussion. Und die Zuverlässigkeit ist nach dem Atomgesetz eine Voraussetzung für den Betrieb einer Atomfabrik.

Griefahns Sprecherin Eva-Maria Rexing erinnert an vergangene ANF-Affären: Es wäre „bestürzend“, wenn sich Parallelen zum Jahre 1990 ergeben würden. Damals waren 130 Kilogramm Uran aus der Lingener Brennelemente-Fertigung verschwunden und hatten sich nach einer Irrfahrt im ANF-Stammsitz in den USA wieder angefunden. Von der europäischen Atombehörde Euratom war ANF daraufhin für ein halbes Jahr unter Zwangsverwaltung gestellt worden — ein bis dahin einmaliger Vorgang.

Die Grünen im niedersächsischen Landtag werfen dem Umweltministerium vor, die Lingener Atomschmiede mit Samthandschuhen anzufassen. „Das ist die alte Kumpanei der Behörden mit der Atomindustrie“, erzürnt sich der Abgeordnete Hannes Kempmann. TÜV und Ministerium hätten gestattet, den illegal eingebauten Behälter wieder auszubauen und durch den alten zu ersetzen. „Statt dessen hätte ANF sofort stillgelegt werden müssen“, so Kempmann.

Für Reinhard Faulhaber, den Geschäftsführer der ANF, ist der Einbau des Gasbehälters ohne Genehmigung ein Versehen ohne Auswirkungen auf die Sicherheit der Anlage. Im Prinzip sei ANF einer Falschinformation der Installationsfirma aufgesessen, die den Einbau vorgenommen habe. Hannes Koch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen