: Heftige Straßenschlachten in Cartagena
Spanischer Verteidigungsminister schuldet der Staatswerft Bazan Milliarden/ Stahlindustrie in der Region ist in Krise geraten ■ Aus Madrid Antje Bauer
Es begann am Montag morgen relativ harmlos mit einer Protestdemonstration von etwa 100 Arbeitern vor dem Landesparlament von Murcia in der spanischen Hafenstadt Cartagena. Doch als die in zahlenmäßiger Überzahl angetretenen Polizisten versuchten, die Demonstranten mit Gewalt zu vertreiben, lief das Faß über. 2.000 Arbeiter aus den umliegenden Stahlfabriken eilten ihren bedrängten Kollegen zu Hilfe. Den ganzen Tag lang wurden Barrikaden gebaut, Müllcontainer angezündet, Molotowcocktails geworfen und seitens der Polizei geprügelt und mit Gummigeschossen gefeuert. Am Nachmittag setzte ein Molotowcocktail das Regionalparlament in Brand — Cartagena erlebte seinen gewalttätigsten Tag seit vielen Jahren.
Anlaß für die kleine morgendliche Demonstration waren die geplanten Massenentlassungen im Stahlbereich, vor allem bei der Werft Bazan, einem Betrieb in Staatsbesitz. Die Aussicht, daß von den 9.000 Beschäftigten der Werft 3.500 in kurzer Zeit entlassen werden könnten, hat seit Wochen zu Protestaktionen der Werftarbeiter geführt. So haben Arbeiter von Bazan im galicischen Hafenort El Ferrol im Januar ein Patrouillenboot besetzt, das Bazan für die spanische Kriegsmarine gebaut hatte. Ebenfalls im Januar haben Arbeiter in Cartagena einige Stunden lang militärisches Gelände besetzt. Das Verteidigungsministerium, größter Kunde von Bazan, ist der Werft aufgrund von Budgetkürzungen im vergangenen Jahr 26 Milliarden Peseten (400 Millionen DM) schuldig — nach Ansicht der Gewerkschaften einer der Gründe für die defizitäre Finanzlage des Unternehmens.
Die Heftigkeit der Auseinandersetzungen zeigt, daß die Krise tiefer sitzt. In der Provinz Murcia ist neben dem Schiffbau auch die Düngemittelfabrik Fesa-Enfersa in der Krise, die mit den Billigprodukten aus Osteuropa nicht standhalten kann. Ähnlich geht es der Bleifabrik Portman Golf, die aufgrund des Sinkens der Bleipreise ihre Pforten schließen mußte. Fast noch schlimmer sieht es in Nordspanien aus, wo gleichzeitig der Stahlbereich, der Schiffbau, der Bergbau und die Chemieindustrie in die Krise geraten sind, ohne daß mittelfristig Alternativen sichtbar wären. Desindustrialisierung heißt dieser Prozeß der kontinuierlichen Verringerung der Beschäftigtenzahlen in der Industrie, wodurch auch einst wirtschaftlich blühende Gebiete wie das Baskenland betroffen sind.
Seit Monaten protestieren die Arbeiter sowohl in Galicien und in Asturien wie auch in Murcia gegen den Niedergang der regionalen Wirtschaft. Guter Rat ist freilich teuer. So war das Landesparlament am Montag Morgen in Cartagena zusammengetreten, um sich Klarheit über die wirtschaftlichen Aktivitäten der sozialistischen Landesregierung zu verschaffen. Die hatte mehrere Grundstücke gekauft und der US- Firma General Electric überlassen, die auf dem Gelände ein Chemiewerk zu errichten versprochen hatte. Für das Gebiet hatte die Landesregierung das Doppelte von dem bezahlt, was der vorherige Eigentümer wenige Tage zuvor dafür berappt hatte.
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